Beim Sommerfestival dominieren politische und formale Experimente

Jahrelang wurde im Westen das Mantra des "höher, schneller, weiter" gebetet. Doch die Euro-Zone steckt in der Krise, viele stellen sich die Frage, ob dauerhaftes Wachstum möglich, ja überhaupt nötig ist, um Wohlstand zu sichern. Eine Phalanx aus Theorie und Politik formiert sich, alternative Modelle werden durchdacht. Fragen, denen das diesjährige Internationale Sommerfestival Hamburg auf Kampnagel seinen theoretischen Schwerpunkt zum Thema "Grenzen des Wachstums" widmet.

Die Gruppe Rimini Protokoll bringt etwa mit "Prometheus in Athen" (16.8./17.8., jew. 21 Uhr) fünf Athener Bürger auf die Bühne, die über ihre aktuelle Lebenssituation berichten. Bereits 2010 hatten Helgard Haug und Daniel Wetzel 103 Bürger der griechischen Hauptstadt mit dem Prometheus-Stoff kurzgeschlossen. Aus Film- und Live-Sequenzen montieren die Dokumentartheaterpioniere ein Bild zur drangsalierten Lage der Nation.

Griechenland ist auch Thema des Hamburger Performance-Kollektivs Schwabinggrad-Ballett. Im Park Fiction wird das Kollektiv ein Camp mit dem Titel "Platz der unbilligen Lösungen" (16.8., ab 16 Uhr, 17.8., ab 11 Uhr, 18.8,

ab 11 Uhr, Programm um 22.30 Uhr, Mitternachtsversammlung ab 24 Uhr) errichten und zu Diskussionen mit Künstlern und Aktivisten aus Griechenland und Deutschland laden. Der 18. August steht im Zeichen eines Marathons zu Wachstum, Motto "Ausgewachsen" (18.8., ab 16 Uhr) mit Beiträgen der Autorin Kathrin Röggla und des Musikers Peter Licht.

Formale Experimente dominieren die Tanzvorstellungen. Anne Teresa de Keersmaeker wird ihre 1984 uraufgeführte Produktion "Elena's Aria" (17./18.8., jew. 21 Uhr, 19.8., 20 Uhr) in einer Rekonstruktion zeigen. Die Brüsseler Theatermacherin hatte es drei Jahre nach der Uraufführung 1984 aus dem Repertoire genommen, weil es "ein fragiles Stück" sei, "ziemlich radikal". Durch das als "Reise nach Jerusalem" angelegte Stück stolpern fünf Tänzerinnen, darunter die Choreografin selbst, lassen sich in Sessel sinken, während sie Musik von Bizet und Mozart und Texten von Tolstoi oder Dostojewski lauschen.

Mehr Konzept als synchrone Bewegungen schöner Körper liefert auch das Duo Sudermann & Söderberg. In "A Talk" (17./18.8., jew. 20 Uhr) formieren sich Bewegungen, Gesang, Rhythmus und Text zu einer Collage über Spanien, Fußball und die Liebe. Nur mithilfe ihrer Hände und einer Filmkamera zaubern Michèle Anne de Mey & Jaco van Dormael vom 22.8. bis 24.8. (jew. 21 Uhr) ihre poetische Liebesgeschichte "Kiss & Cry" auf die Bühne.

Höhepunkt für Hartgesottene: die auf vier Stunden angelegten Episoden 3 & 4 des Langzeitprojekts "Life and Times" (23./24.8., jew. 20 Uhr, 25.8., 19 Uhr) der New Yorker Avantgardisten vom Theater of Oklahoma. Es basiert auf einem Originaltelefonat über eine Provinzjugend.

Internationales Sommerfestival Hamburg 2012 bis 25.8., Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestr. 20-24, Karten zu 8,- bis 36,- unter T. 27 09 49 49; das komplette Programm: www.kampnagel.de