Ich liebte den "Blaubart von Fehmarn"

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Jürgen Bungert

Arwed Imiela: Der Frauenmörder machte in den 70er-Jahren Schlagzeilen. Die Hamburgerin Ulrike Roland war mit ihm verlobt. Jetzt kommt eine TV- Dokumentation.

Hamburg. "Es war Liebe auf den ersten Blick", sagt Ulrike Roland (58) noch heute. "Arwed beeindruckte mich wie kein Mann zuvor: groß, breitschultrig, randlose Brille, sehr männlich, sehr ruhig, sehr überlegen. Eine glänzende Erscheinung."

Es war ein zufälliges Treffen gewesen am 21. Februar 1969. Ein Freund hatte Ulrike Roland zu einem Jagdessen nach Reinbek mitgenommen. Es gab Hase. Der Gastgeber hatte ihn selbst geschossen. Er war Jäger und hieß Arwed Imiela.

"Wir aßen, tranken und redeten die ganze Nacht", erzählt sie. "Gleich am nächsten Tag rief er mich an. Wir trafen uns, tranken Kaffee und redeten weiter. Plötzlich fragte er mich: ,Wollen Sie mich heiraten?'"

Vier Tage später verlobten sie sich. Imiela 40 Jahre alt, ein Mann in den besten Jahren, Ulrike Roland dagegen eine junge, unerfahrene, aber lebenshungrige Frau von 24. "Er war einfach der Mann für mich!" Sie sei begeistert von ihm gewesen. Er schien wohlhabend zu sein, tat geheimnisvoll, hatte gepflegte Manieren und war sehr gebildet.

"Meine Eltern, denen alles viel zu schnell ging, betörte er ebenfalls mit seinem Charme. Er kam mit einem riesigen Blumenstrauß und sagte zu meiner Mutter: ,Liebe Frau Roland, diese Blumen sind dafür, dass Sie Ulrike zur Welt gebracht haben.' "

Zu diesem Zeitpunkt hatte Arwed Imiela bereits zwei Frauen ermordet: die reiche, von einem Frankfurter Kaufmann geschiedene Annemarie Schröder (49) und deren Mutter Anna-Maria Kieferle (76). Morde, von denen noch niemand etwas wusste oder ahnte. Er hatte alle Spuren verwischt und sich das Vermögen seiner beiden Opfer angeeignet. Bargeld, Schmuck und Beteiligungen im Gesamtwert von einer halben Million Mark.

Annemarie Schröder hatte ihren Mörder über eine Zeitungsannonce kennen gelernt und ein Horoskop bei ihm bestellt. Imiela arbeitete als Astrologe in Niedermarsberg im Sauerland, lernte durch seinen Beruf Frauen und ihre Schicksale kennen und kassierte für seine Auskünfte hohe Honorare. Die Jahre zuvor waren für ihn finanziell weniger erfolgreich gewesen: Jobs als Hilfsarbeiter, ein fehlgeschlagener Versuch, als Schriftsteller für den damaligen NWDR zu arbeiten, Urkundenfälschungen und Betrügereien, die ihn für zwei Jahre ins Gefängnis brachten. Erst die Astrologie wurde zum Wendepunkt in seinem Leben. Vor dem Astrologenverband legte er eine Prüfung ab und durfte sich ab sofort Diplom-Astrologe nennen. Plötzlich war Imiela wer. Ein interessanter Mann mit gewissem Flair, ausgestattet mit großer krimineller Energie, die er mit Charme zu verbergen wusste.

Annemarie Schröder und ihre Mutter gerieten immer mehr in den Bann ihres neuen Bekannten, lösten auf sein Betreiben ihren Hausstand auf, erteilten Imiela Generalvollmacht und zogen zu ihm in seinen Bungalow auf Fehmarn. Dort gehörte er als passionierter Jäger dem Schützenverein an. Er hatte eine Jagd gepachtet und führte ein aufwendiges Leben.

Beide Frauen verschwanden um die Jahreswende 1968/69 spurlos, nachdem Imiela im Besitz ihres Vermögens war.

Ulrike Roland erfuhr von Annemarie Schröder zum ersten Mal, als sie in die luxuriöse Acht-Zimmer-Hochhauswohnung in Reinbek einzog. Die Dame hatte sich porträtieren lassen. Ihr Bild schmückte Imielas Wohnzimmer, auch ein Teil ihrer Kleider hing noch in den Schränken. Das sei Angelique, seine ehemalige Verlobte, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei, belog Imiela seine neue Verlobte. "Ich war und blieb ahnungslos, habe sogar ihre Kleider anprobiert", sagt sie.

Und Imiela belog seine Verlobte weiter. Er sei amerikanischer Geheimagent. Wenn ihr irgendwelche Dinge eigenartig vorkämen, möge sie nicht fragen. Er dürfe ihr keine Antwort geben. "Ich war eine junge Frau, ein wenig unbedarft. Ich glaubte ihm", sagt sie und schüttelt dabei den Kopf. "Heute würde mir das nicht mehr passieren."

Imielas nächste Opfer holte Ulrike Roland selbst ins Haus: ihre Tante Ilse Evels (47) und ihre Cousine Urte (19) aus Celle. "Sie waren bei meinen Eltern eingeladen. Tante Ilse und Arwed sprachen über geschäftliche Dinge. Sie war vermögend und suchte Rat, um ihr Geld anzulegen."

Von nun an traf sich Imiela regelmäßig mit der Tante seiner Verlobten. Und es kam, wie es kommen musste: Imiela ließ seinen Charme spielen, die Frauen verfielen ihm, er sprach davon, die Verlobung mit Ulrike zu lösen, und schenkte seine Gunst ganz Urte. Schließlich erteilte Ilse Evels ihm Generalvollmacht über ihre Konten. Es war das Todesurteil für sie und ihre Tochter.

Ulrike Roland war ahnungslos. "In dieser Zeit erzählte Arwed mir, dass er sich wegen einer alten Lungengeschichte in ärztliche Behandlung begeben müsse. Er schlug eine kurze Trennung vor. Ich zog für ein paar Wochen zu meinen Eltern nach Hamburg und kehrte im Dezember 1969 wieder in seine Wohnung zurück. Von da an habe ich von meiner Tante und meiner Cousine nichts mehr gehört." Während der Abwesenheit seiner Verlobten fädelte Imiela auch diesen Doppelmord nach bewährtem Muster ein. Auf sein Betreiben gaben die beiden Frauen ihre Wohnung in Celle auf, verabschiedeten sich von ihren Freunden mit dem Hinweis, sie gingen auf Weltreise, und zogen in die Wohnung nach Reinbek. Die Polizei vermutete später, dass er seine beiden Opfer dort tötete, ihre Leichen zerteilte, sie in seiner Kühltruhe lagerte und mit dem Wagen, in Plastik verpackt, nach Fehmarn brachte und in der Ludergrube verscharrte.

"Als ich Arwed fragte, ob er wisse, wo die beiden seien, sagte er: ,Ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht.' Er war übel gelaunt und stellte mich zur Rede. Ich hätte ihn belogen. Er habe von den Evels erfahren, dass ich mehrere Liebhaber gehabt habe. Was nicht stimmte. Heute weiß ich, dass er zwischen meine Tante, meine Cousine und mich einen Keil treiben wollte. Sein Ziel war, dass ich die beiden nicht mehr sehen wollte. Was ihm auch gelang."

Wenige Tage später kam es zu einer Eifersuchtsszene. Ulrike Roland: "Er verlangte ein schriftliches Geständnis über meine angeblichen Beziehungen zu anderen Männern. Als letzten Treuebeweis überredete er mich zu Russischem Roulette. Er verband meine Augen, drückte mir einen Revolver in die Hand. Ich richtete die Waffe gegen mich und wollte tatsächlich abdrücken. Da riss er sie mir aus der Hand. Ich war völlig benommen."

In den nächsten Tagen sei er wieder wie umgewandelt gewesen. "Ich war glücklich, zumal ich annahm, ich sei schwanger. Ich sagte es ihm. Er fragte, wie groß das Wesen in meinem Bauch sein könne. ,Wie ein Gummibärchen', sagte ich. Er stellte eine Kerze auf den Tisch, machte sie an und sagte: ,Fürs Gummibärchen.' Ich war gerührt."

Wenige Tage später, am 23. April 1970, wurden Imiela und seine Verlobte in Reinbek verhaftet. Der Grund: Betrugsverdacht. Die Kreissparkasse in Celle war misstrauisch geworden. Imiela hatte 150 000 Mark vom Konto der Ilse Evels auf sein Konto überweisen lassen wollen. Doch der Angestellte sträubte sich, wollte Frau Evels persönlich sprechen und schaltete die Polizei ein. Die ermittelte, fuhr nach Reinbek und erwischte sozusagen in letzter Minute Arwed Imiela, der seine Flucht mit der ahnungslosen Ulrike Roland über Stockholm nach Südamerika bereits vorbereitet hatte. Die Tickets lagen im Handschuhfach seines Autos. Im Wagen entdeckten die Polizisten auch eine Reklamebürste einer Tankstelle auf Fehmarn. Die Beamten verfolgten diese neue Spur, recherchierten und wurden auf der Insel fündig. Sie hörten von der Ludergrube und entdeckten die Leichenteile der beiden Frauen. Aus dem Betrugsfall Imiela war der Mordfall Imiela geworden.

Ulrike Roland geriet in Verdacht, ihrem Verlobten geholfen zu haben, kam aber nach drei Wochen wieder frei. Sie war ahnungslos und unschuldig. Er wurde am 24. April 1973 zu lebenslanger Haft verurteilt. Imiela, der alle vier Morde bis zuletzt leugnete, starb mit 52 Jahren am 3. Juni 1982 an Herzversagen in der Strafvollzugsanstalt Fuhlsbüttel. Er wurde auf dem Friedhof in Ohlsdorf anonym beerdigt.

Ulrike Roland hat geheiratet, einen Iraner. Sie bekam einen Sohn, der heute 25 Jahre alt ist. Er kennt die Vergangenheit seiner Mutter, hat kein Problem damit. Nach drei Jahren wurde die Ehe geschieden. Sie arbeitet als Arzt-Sekretärin.

Erinnerungen an Imiela? Sie lächelt: "Ja. Eine beige Krawatte von ihm liegt bei mir im Schrank. Dann ein Foto von Mingo, unserem geliebten Jagdhund. Es hängt bei mir überm Sofa. Drei Gläser, die er mal ausrangiert hatte und ein Fotoalbum."

Denkt sie noch an ihn? "Ja", gesteht sie. "Ich hätte gern noch einmal mit ihm persönlich gesprochen. Nach der Verhaftung und während des Prozesses war ich dazu nicht in der Lage. Ich war viel zu geschockt. Doch heute hätte ich gern gewusst, wie sich die furchtbaren Morde an den Frauen und seine angebliche Liebe in dieser Zeit zu mir zusammenreimen. Diese Frage quält mich ein Leben lang."

  • Mit dem Fall Arwed Imiela setzt die ARD (9. Februar, 21.45 Uhr: "Der "Blaubart von Fehmarn") ihre Dokumentationsreihe "Die großen Kriminalfälle" fort.