Schule für Schauspiel läutet mit dem Stück “Wolkenkuckucksheim“ ihr 25. Jubiläum ein. Marie Bäumer war eine der ersten Absolventinnen.

Schule für Schauspiel. Das Café in dem beschaulichen Hinterhof ist an diesem Nachmittag leer. Keine Menschenseele. Ungewohnt, hier unweit der lauten Sternbrücke Doch aus dem Nachbarraum ertönen Stimmen. Auf den Stühlen rechts der Tür stapeln sich Klamotten, links der Tür hängen Requisiten: Hüte, Jacken, Federboas. Es riecht nach Theaterluft. "Jörg, du hast noch mehr Luft nach oben, was die Gewalttätigkeit in der Stimme angeht", unterbricht Regisseur Jasper Brandis. Es wird an diesem Sommertag nicht das letzte Mal sein.

Vor einer weißen Wand proben Jörg Meincke und seine Mitschüler des dritten Jahrgangs ihr Abschlussstück, Karl Kraus' Gesellschaftssatire "Wolkenkuckucksheim", basierend auf Aristophanes' antiker Komödie "Die Vögel".

Fast drei Jahre lang haben die jungen Frauen und Männer die Schule für Schauspiel Hamburg (SFSH) besucht. Sie wollen sich den Traum vom Schauspielerberuf erfüllen.

Michaela Uhlig und Olivia Rüdinger kennen diese Sehnsüchte. Die beiden Frauen leiten die Schule nicht nur mit Jan Oberndorff, sie haben sie vor 25 Jahren auch hier an der Oelkersallee 33 gegründet.

Auf jener Adresse fußt der bei vielen immer noch gängige Name Studio "O33". Doch aus der Fortbildungsstätte für Schauspieler ist längst eine staatlich anerkannte Berufsfachschule geworden. Marie Bäumer, dank Detlev Bucks Kino-Hit "Männerpension" Mitte der 90er populär geworden, war eine der ersten Absolventinnen und ist der Schule noch immer als Gastdozentin verbunden. Susanne Pollmeier hat sich dank Inszenierungen im Engelsaal und in den Kammerspielen ("Männerbeschaffungsmaßnahmen") an Hamburger Bühnen etabliert. Ebenso Torsten Hammann, - als Box-Hüne in Frank Wittenbrinks Liederabend "Die Ritze" und in Ulrich Wallers Inszenierung von "Anatevka" schon zweimal im St.-Pauli-Theater zu sehen.

+++ Schauspiel-Patin +++

Auch die Hamburgerin Pheline Roggan hat die dreijährige Ausbildung an der SFSH absolviert. Das Beispiel der schlanken Schönen, die nach einer Durststrecke erst dank Fatih Akins Filmkomödie "Soul Kitchen" ihren Durchbruch erlebte, zeigt aber auch die Risiken des Berufs. Engagements kommen nicht von allein, auch wenn die Schule bei einer Gebühr von 490 Euro pro Monat außer Schauspiel noch mehr lehrt: Sprech- und Stimmtraining, Bewegung und Tanz sowie Theorie. "Wir bieten unseren Schülern auch ein Self-Management und geben Antworten auf Fragen: Wie organisiere ich mich außerhalb? Wie komme ich in die Künstlersozialkasse?", sagt Michaela Uhlig. Ihre Partnerin Olivia Rüdinger räumt ein, dass es in Deutschland inzwischen viele Schauspieler gebe, die zu kämpfen hätten. Die US-Amerikanerin sagt: "Mir hat mal eine Schauspielschülerin nach einem Besuch in Los Angeles erzählt: ,In L.A. ist jeder Schauspieler - und alle sind arbeitslos.'"

Um dem vorzubeugen, hat die Schule für Schauspiel ihr Angebot erweitert: Seit 2007 hat jeder der insgesamt 80 Schüler vom fünften Semester an die Wahl zwischen einem Theater- oder Filmabschluss. Ein Filmraum im ersten Stock und der Schauspieler Oscar Ortega Sanchez ("Fußball ist unser Leben", "36 Stunden Angst") als Dozent sind Zeugnis dessen. Sanchez dreht mit den Absolventen dort und an Lokalschauplätzen in ganz Hamburg Demo-Tapes. Dadurch, dass die Wand des Raumes blau gestrichen sei, kommen die Gesichter der angehenden Schauspieler viel besser zu Geltung, berichtet Michaela Uhlig. Und ein Gesicht mit Profil im Film sei ebenso wichtig wie die Stärkung der Persönlichkeit, meinen die beiden Leiterinnen

Julia Liebetrau hat sich für den Theaterabschluss entschieden. Die gebürtige Freiburgerin ist eigens wegen der Ausbildung nach Hamburg gekommen; ihre Eltern haben sie finanziell unterstützt. Sie mag komische Rollen. Im Laufe der drei Jahre hat sie nicht nur erfahren, wie wichtig bei Komödien Timing und gute Anschlüsse sind. "Am meisten gelernt habe ich über mich", sagt die 23-Jährige. "Man wächst über sich hinaus."

Im "Wolkenkukucksheim" spielt sie im 1. Akt eine Nachtigall. Und schon vor der Abschlussinszenierung hat sie Bewerbungen an Theater in ganz Deutschland geschickt. Engagements noch offen.

Regisseurin Dagmar Leding hat gute Erfahrung mit den Schauspielschülern gemacht. Seit sieben Jahren engagiert sie manche noch während der Ausbildung für ihre Weihnachtsmärchen am St.-Pauli-Theater. "Kindertheater kann richtig hart sein mit bis zu drei Vorstellungen am Tag." Doch für Schauspielschüler sei das eine wichtige Erfahrung. Die Schule nach der Schule sozusagen. Der ehemalige Absolvent Cornelius Henne ist jetzt auch ihr Regieassistent, übernimmt immer noch kleine Rollen und arbeitet als Inspizient am St.-Pauli-Theater.

Und so wird auch Dagmar Leding heute Abend im Saal an der Oelkersallee sitzen, um ihre Entdeckungen zu machen, ebenso einige Caster, wenn der diesjährige Abschlussjahrgang sein "Wolkenkuckucksheim" baut. Darin werden die Vögel, anders als von den zwei Athener Bürgern versprochen, am Ende nicht zu Göttern. Aber als solche dürfen sich ja auch Schauspieler heutzutage nicht (mehr) fühlen.

"Wolkenkuckucksheim" Fr 10.8.-So 12.8. und Fr 17.8./Sa 18.8., jew. 20.00, Schule für Schauspiel Hamburg (Metrobus 3, 15), Oelkersallee 33, Eintritt gegen Spende; Anmeldungen für die Aufführungen unter info@schauspielschule-hamburg.com ; www.schauspielschule-hamburg.com

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