Sonia Mikich verlässt das Politmagazin und gründet im WDR ein investigatives Ressort. Sie moderierte die Sendung ein ganzes Jahrzehnt.

Hamburg. Wenn Sonia Mikich etwas hasst, dann ist es Stillstand. "Ich bin beruflich und privat immer eine Nomadin gewesen", sagt sie. "Ich mag Neues und Unbekanntes." Das gilt auch für ihre Arbeit im WDR: "Ich wollte nie, dass jemand über mich sagt, ich sei ein öffentlich-rechtliches Urgestein."

Nun ist es nicht so, dass die vielfach preisgekrönte 61 Jahre alte Fernsehjournalistin die Öffentlich-Rechtlichen verlassen wird. Sie bleibt beim WDR. Aber zum Ende des Monats gibt sie die Redaktionsleitung von "Monitor" ab. Der Zeitpunkt ist mit Bedacht gewählt. Sonia Mikich wird dann ziemlich genau zehn Jahre für das Politmagazin gearbeitet haben. Für die Frau, die den Wechsel so liebt, ist das eine sehr lange Zeit. An keiner ihrer bisherigen beruflichen Wirkungsstätten verweilte sie länger: Acht Jahre wirkte sie als Redakteurin, Moderatorin und Reporterin für die WDR-Programmgruppe Ausland, sechs Jahre arbeitete sie im ARD-Studio Moskau, und gut viereinhalb Jahre leitete sie das ARD-Studio Paris.

Der Wechsel zu "Monitor" nach Köln war für die Auslandskorrespondentin ein harter Schnitt. Das Magazin beschäftigt sich ausschließlich mit Inlandsthemen: "Ich wollte schon damals etwas komplett Neues machen. Innenpolitik war für mich Terra incognita. Ich wusste aber, dass ,Monitor' ein sehr gutes Team hat." So hart ist der Bruch diesmal nicht. Sonia Mikich hat sich für einen gleitenden Übergang entschieden: Bereits seit dem 1. Oktober 2011 leitet sie die WDR-Programmgruppe Inland, wo sie für die Sendungen "die story", "Menschen hautnah", die WDR-Dokumentationen für das Erste und eben für "Monitor" verantwortlich ist. Dass sie nicht auf Dauer Redaktionsleiterin des Magazins bleiben konnte, wusste sie bereits, als sie für ihre Aufgabe berufen wurde. Die zehn Jahre bei "Monitor" wollte sie aber voll machen.

Zudem kommt der Zeitpunkt des Wechsels ihrem Nachfolger entgegen: Neuer Redaktionsleiter und Moderator von "Monitor" wird Georg Restle, derzeit noch ARD-Korrespondent in Moskau. Zu seinem Berichtsgebiet gehören auch Aserbaidschan und die Ukraine. Vor seinem Umzug nach Köln sollte er noch vom Eurovision Song Contest und der Fußball-Europameisterschaft berichten. Bevor er 2010 nach Moskau ging, arbeitete der studierte Jurist zehn Jahre lang bei "Monitor", davon drei Jahre als stellvertretender Redaktionsleiter. Auch deshalb gilt er beim WDR als idealer Nachfolger von Sonia Mikich.

Georg Restle wird bei dem Politmagazin eigene Schwerpunkte setzen. Kritiker attestieren seiner Vorgängerin, die 2002 auf Klaus Bednarz folgte, bei "Monitor" vor allem Beiträge zur Globalisierung und filmische Essays zu gesellschaftspolitischen Themen wie Gerechtigkeit, Demokratie und Wachstum gefördert zu haben. Fragt man Sonia Mikich, welche Beiträge ihr als Redaktionsleiterin besonders wichtig waren, nennt sie Stücke über den politischen Lobbyismus. "Wir gehörten zu den ersten im deutschen Fernsehen, die lange vor der Finanzkrise darauf hingewiesen haben, wie viel Macht Lobbyisten in der Politik haben", sagt sie. "Da bin ich sehr stolz drauf." Stolz ist sie aber auch auf eine eher "leise Geschichte", einen Beitrag mit dem Titel "Tod in der Zelle", darin ging es um einen afrikanischen Asylbewerber, der aus nach wie vor ungeklärten Gründen in einer Polizeiwache in Dessau verbrannte. Die Journalistin ist davon überzeugt, dass es ohne die Berichterstattung über den Fall nie zu einem Prozess und einem Wiederaufnahmeverfahren gekommen wäre. Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte die damals diensthabenden Polizeibeamten freigesprochen - ein Urteil, das vom Bundesgerichtshof kassiert wurde. Derzeit wird der Fall vor dem Landgericht Magdeburg neu verhandelt.

Als Leiterin der WDR-Programmgruppe Inland hat sich Sonia Mikich bereits ein erstes Ziel gesetzt: "Wir wollen ein investigatives Ressort aufbauen", sagt sie. Bisher würden investigative Journalisten allein arbeiten. Sie will nun einen Verbund organisieren: ",Monitor' und ,die story' sollen allererste Adressen für kritischen Enthüllungsjournalismus werden", sagt sie. "Ich möchte, dass man sich austauscht." Auch über Sendergrenzen hinaus: "Wir wollen auch interessant für schreibende Kollegen werden." An der WDR-Dokumentation "Verzockt und verklagt: Die guten Geschäfte der Deutschen Bank", die im Mai im Ersten lief, war schon ein Kollege vom "Tagesspiegel" beteiligt. Auch Kooperationen mit Journalisten anderer ARD-Sender, etwa denen des NDR-Magazins "Panorama", kann sie sich vorstellen.

Sonia Mikich wird sich im neuen Job neu erfinden. So wie sie es seit Beginn ihrer Laufbahn Anfang der 80er- Jahre immer getan hat. Damals interessierte sie sich für Popkultur, schrieb über Punk und New Wave, färbte sich die Haare schwarz und spielte E-Gitarre. Aber das ist eine andere Geschichte.