Beim Dockville-Festival sind Spitzenbands wie Hot Chip und Tocotronic zu erleben

Nun aber Musik! Über Wochen haben wir mit Freude immer wieder vom Dockville-Festival gelesen - von all den starken interdisziplinären Auseinandersetzungen von Kunst und Musik und Party. Doch das Kunstcamp, der Vogelball, Tolstois "Krieg und Frieden" auf allen erdenklichen Körperteilen, war alles nur Vorspiel. Das Festival beginnt JETZT - und das heißt: schlaflose Nächte, die Erkundung des Geländes, glückliche Facebook-Statusmeldungen samt sonnigen iPhone-Bildern, Lachen im Matsch, witzige Outfits - eine wahre Auszeit. Lebenskunst.

Das musikalische Line-up einfach in Rock-, Indie- und Electro-Bands zu unterteilen ist ausgemachter Blödsinn, denn die Acts des sechsten Dockville-Festivals befinden sich meistens an den Schnittstellen der Genres, dort, wo alles zusammenfließt. So wie Hot Chip. Die Londoner Band hat sich über fünf Alben hinweg zu einer der wegweisenden Gruppen unserer Zeit entwickelt und elektronischer Musik den Ernst anspruchsvoller Indie-Musik beigebracht, vielleicht auch umgekehrt. Hot Chips aktuelles Album "In Our Heads" ist ein sommerliches Electro-Album geworden, das zurückgenommen nachklingt und zur Innenansicht auf dem Dancefloor einlädt. Auch der britische Headliner-Kollege James Blake überwindet am Sonnabend die Starrheit der Genres. Das junge Wunderkind hat mit seinem Debüt-Album im vergangenen Jahr den Post-Dub-Step maßgeblich geprägt und mit seinem Konglomerat aus heiligem Bass, feinen Klavierlinien und entrückter Stimme die ganze Musikwelt beeindruckt. Es kann wohl guten Gewissens ein tiefes Beben in den Körpern Tausender Festivalbesucher prophezeit werden, wenn der britische Star die Bühne betritt.

Die Lieder von Tocotronic hingegen, dem Headliner am Sonntag, bewirken eine Art kollektives Erinnern. Wo warst du im Sommer, in dem Jahr, als "Es ist egal aber" erschien? Wen hast du geküsst, als du "KOOK" das erste Mal hörtest? In diesem Sommer war die Hamburger Band im Studio und lässt hoffentlich ein paar neue Stücke hören.

Doch das ist noch lange nicht alles. Schon am Freitag spielt das Kopenhagener Mädchen-Duo Darkness Falls mit atmosphärischem Post-Pop auf. Fast zeitgleich präsentiert die Band Vierkanttretlager deutschsprachigen Indie-Rock, der die textliche Versiertheit von Element Of Crime mit der Kraft von Turbostaat verbindet. Der spannendste Act des Freitags ist aber wohl Apparat-Band. Die deutsche Elektronik-Größe Sascha Ring kombiniert bei Apparat visuelle Lichtkunst mit elektronischer Musik, setzt aber durch sphärische Gitarren geschickt organische Akzente.

Am Sonnabend muss man sich fast zerreißen: Am frühen Abend kämpfen Dillon, WhoMadeWho und Urban Cone um die Herrschaft von Indie-Hausen, später kommen mit Prinz Pi und Marsimoto zwei der frechsten deutschen Rapper. Das energetisch-wavige Future Islands wiederum gilt als eine der besten Live-Bands der Welt, und Purity Ring ist der nerdige Kritikerliebling. Die Nacht des Sonnabends gehört der anspruchsvollen Elektronik: Oneohtrix Point Never hat ein fantastisches Album voll 70er-Jahre-Werbesamples veröffentlicht, Ghostpoet spricht geisterhafte Verse über unheimliche Soundscapes, Robag Wruhme spielt die traumhafteste minimale Tanzmusik, die man sich wünschen kann.

Und wer am Sonntag noch Energie hat, sieht sich die Hamburger Electropop-Sensation Me Succeeds an, kommt nicht an Die Heiterkeit vorbei und erfährt bei einem herzergreifenden Konzert von Niels Frevert, dass das Leben wundervoll ist. Dass das Glück auf der Straße liegt. Oder in diesem Fall, auf den Wiesen des Dockvilles - mit Blick auf die Elbe, Schlammkruste auf der Haut und sogar in der stickigen Luft eines vom Regen (hoffentlich nicht!) durchnässten Zelts.

Dockville-Festival 10.8.-12.8., Fr 12.30-5.00, Sa 12.00-5.00, So 12.30-2.00, Reiherstieg Hauptdeich/Alte Schleuse (S Wilhelmsburg + Bus 13), Ein-Tages-Tickets ab 29,90, Zwei-Tages-Tickets ab 59,90, Drei-Tage-Ticket ab 79,-; www.msdockville.de