Die Arbeitsbedingungen werden vom Management extrem erschwert. Manche Fotojournalisten sollen sogar die Bildrechte abtreten.

Hamburg. "Three Songs No Flash" nannte der Hamburger Fotograf Stefan Malzkorn eine Ausstellung mit Konzertfotos, die er schon 1999 für die PopKomm in Köln konzipiert hatte und die auch in der Hamburger Markthalle hing. "Drei Songs, kein Blitzlicht", das ist seit Jahrzehnten eine Faustregel für Fotografen, die Pop- und Rockmusiker bei Konzerten ablichten, um die Fotos dann an Tageszeitungen oder Fachmagazine zu verkaufen. Zehn bis 15 Minuten Zeit bleiben den Fotografen in der Regel für ein paar scharfe Bilder, dann müssen sie den zwischen Bühne und Publikum durch Gitter abgesperrten Bühnengraben wieder verlassen - wenn sie überhaupt von den Ordnern in diesen Bereich gelassen werden. Denn immer öfter müssen die Fotografen Verträge der Künstlermanagements unterschreiben, in denen die ohnehin schon schwierigen Arbeitsbedingungen weiter beschnitten oder unmöglich gemacht werden. "Knebelverträge" nennen die Fotografen diese Papiere.

So erhielten die Fotografen vor dem Konzert von The Offspring im Stadtpark fünf Minuten vor der Show einen Vertrag, in dem sie aufgefordert wurden, die Fotos nach Los Angeles zu mailen, um eine Freigabe zu erhalten. "Ich hatte einen aktuellen Auftrag einer Tageszeitung und musste ihn zurückgeben, weil das Zeitfenster für eine Autorisierung zu kurz war", sagt Isabel Schiffler, eine Hamburger Fotografin, die bei nahezu jedem Hamburger Konzert in der ersten Reihe steht. Nach der kurzfristigen Ansage des Tourleiters zeigten sich alle Fotografen solidarisch, packten ihre Kameras und Objektive zusammen und verließen den Stadtpark. Auch Marianne Faithfull und Bobby McFerrin/Chick Corea verlangten vorherige Freigabe, bei Norah Jones sollten die Fotojournalisten sogar ihre Bildrechte an die Künstlerin abtreten. In den USA längst branchenüblich.

Die ungeheuren und nicht kontrollierbaren Verbreitungsmöglichkeiten des Internets sieht Sven Hasenjäger als einen Grund, warum immer mehr restriktive Verträge an Fotografen gegeben werden. Hasenjäger vertritt als Manager diverse Bands und Künstler, außerdem arbeitet er als Produktmanager für Die Ärzte. Man möchte auch über Fotos ein Image aufbauen. Schlechte Bilder sind da sehr kontraproduktiv", sagt Hasenjäger.

Fotojournalisten wie Malzkorn oder Schiffler haben oft gar nicht die Möglichkeit, Bilder online zu stellen, denn viele Verträge lassen nur den einmaligen Abdruck in einem Print- oder Onlinemedium zu. Eine Zweitverwertung ist untersagt und wird zum Beispiel von Bands wie Rammstein juristisch verfolgt. "Mit Konzertfotografie kann man heute nicht mehr überleben", sagt die 42 Jahre alte Schiffler und rechnet vor, wie viel sie für ein Foto bekommt: "Netto verdiene ich an einem Foto zwischen 20 und 40 Euro. Leisten muss ich dafür Akquise bei Auftraggebern, Akkreditierungsmails, An- und Abfahrt zum Event, was oft ein bis zwei Stunden dauert, Wartezeiten im Konzert wegen nicht genauer Anfangszeiten, dann fotografieren, später bearbeiten und versenden der Fotos." Hinzu kommen Benzin- und Telefonkosten und Kosten in fünfstelliger Höhe für die hochwertige Ausrüstung, notwenige Voraussetzung, um überhaupt scharfe Bilder machen zu können.

Immer häufiger passiert es, dass Künstler den Fotografen sperren lassen und die Fotografen ihre Aufnahmen aus großer Entfernung vom Mischerturm machen müssen. "Feist hat beim Kölner Konzert die Fotografen vorne kurzfristig verbannt. Wer sein 300-mm-Teleobjektiv nicht dabeihatte, konnte nach Hause gehen", erzählt Lisa Minen, Bildredakteurin und Fotografin für das Fachmagazin "Visions". Auch bei Herbert Grönemeyers Open-Air-Tournee im vergangenen Jahr wurden die Fotografen so weit von der Bühne platziert, dass keine Nahaufnahmen möglich waren. "Jeder Fan, der in der Arena stand, konnte mit seinem Handy bessere Bilder machen als wir", kritisiert Isabel Schiffler.

Doch nicht nur den Fotografen, auch vielen Konzertveranstaltern sind diese vor allem von amerikanischen Managements vorgelegten Verträge ein Dorn im Auge. "Wir haben ein Interesse daran, dass unsere Konzerte auch später in der Tagespresse und in Magazinen gewürdigt werden, deshalb versuchen wir im Vorwege mit den Managern Verträge so zu formulieren, dass sie nicht das Urheberrecht des Fotografen verletzen und er zumindest drei Songs lang seine Bilder machen kann", sagt Stefan Güntner von der Kölner Konzertagentur Peter Rieger. Seine Firma organisiert unter anderem in Deutschland die Tourneen von Paul McCartney, der Rolling Stones, Pink und Tina Turner. "Bei Pink zum Beispiel gibt es überhaupt keine Fotoverträge, weil die Künstlerin ein Interesse daran hat, in die Zeitung zu kommen. Allerdings gibt es auch US-Manager, die nicht mit sich reden lassen", räumt er ein.

Bei Klassikkonzerten werden schon seit Jahren so gut wie nie Fotografen zugelassen. "Die Künstler fühlen sich selbst gestört und sorgen sich auch um die Zuschauer in den ersten Reihen, die gerade bei leisen Stellen vom Klicken der Kameraverschlüsse gestört werden", erklärt Klaus Wollny von der Hanseatischen Konzertdirektion. Ähnliche Gründe führen auch die Manager von Feist ins Feld, wenn sie die Fotografen an den Mischerturm verbannen. Am 15. August gastiert Feist im Stadtpark. Immerhin liegt zwischen Bühne und Publikum bei der Open-Air-Bühne ein etwa zehn Meter breiter Graswall. "Ich bin gespannt, wo wir diesmal platziert werden", sagt Stefan Malzkorn. Sein langes Teleobjektiv wird er in jedem Fall einpacken. Sicher ist sicher.