Die Meistersängerin über ihr Verhältnis zum Jazz und ihre Liebe zur Gitarre. Das Abendblatt verlost Konzertkarten.

Hamburg. Wenn ein Weltstar wie Jessye Norman sich zur intimen Klavierbegleitung von Mark Markham des Great American Songbooks annimmt, dann wird das gewiss kein lässiger Jazzklub-Abend. Mit einigem Diven-Alarm ist also zu rechnen, wenn Frau Norman am 10. Dezember mit Kompositionen von Ellington, Gershwin und anderen Spitzenlieferanten der großen amerikanischen Unterhaltungsmusik unter dem Motto "American Masters" in der Laeiszhalle gastiert (19.30 Uhr)

Hamburger Abendblatt: Welche der großen Jazz-Sängerinnen - Ella, Dinah, Sarah, Billie oder vielleicht eine andere - bewundern Sie am meisten?

Jessye Norman: Ich verneige mich vor all diesen wunderbaren Interpretinnen in Ehrfurcht und mit größtem Respekt. Dennoch muss man wohl sagen, dass jeder Sänger, nicht nur im Jazz, die Stimme, den Stil, die Beredsamkeit und die Eleganz im Gesang der großen Ella Fitzgerald besonders hoch schätzen wird.

Abendblatt: Nach welchen Parametern wählen Sie Ihr Jazz-Repertoire aus?

Norman: Parameter lasse ich nicht zu, egal um welches Repertoire es sich handelt. Ich überlasse es vielmehr meiner Fantasie und meiner Neugier, wohin sie mich führen. Auf diese Weise bin ich auf ein paar aufregende und wunderbare Entdeckungen gestoßen.

Abendblatt: "It's the singer, not the song", heißt es oft. Stimmen Sie zu?

Norman: Wie bei allen legendären Bemerkungen liegt auch hier ein Körnchen Wahrheit drin. Aber ohne einen guten Song gerät noch der beste Interpret ins Schwimmen. Andererseits gibt es Songs, die so vollkommen sind, dass noch die dürftigste Wiedergabe ein Gefühl der Befriedigung gibt.

Abendblatt: Jazz ist der größte Beitrag der USA zur Weltkultur des 20. Jahrhunderts. Dennoch wird er in Europa mehr geschätzt. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Norman: Da kann ich Ihnen nicht zustimmen. Es gibt mittlerweile in den USA Jazz-Camps für Kinder, auch die kleinen Jazzklubs stehen erneut in Blüte. Es gibt viele neue Interpreten, Jazz at Lincoln Center hat einen enormen Erfolg. Auch Musikstile haben ihre Hochs und Tiefs. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung wurde uns Bachs Musik durch Mendelssohn zurückgegeben. Jazz-Fusion hat den einzigartigen Duke Ellington wenig interessiert, eine Zeit lang stand Bigband-Jazz nicht hoch im Kurs ..., aber dann änderte sich das wieder. So sind die Zyklen in der Kunst, und ich glaube, das muss nicht nur so sein, sondern es hält uns umso mehr dazu an, den gesamten musikalischen Kanon als den großen Schatz zu begreifen, der er eigentlich ist.

Abendblatt: Wenn Sie nicht Sängerin geworden wären: Welches Instrument hätten Sie gewählt?

Norman: Wer sagt denn, dass ich ein Instrument gespielt hätte, wenn ich nicht Sängerin geworden wäre? Ich hätte Ärztin werden können oder Lehrerin und hätte Musik als Hobby betrieben. Allerdings würde es mir nichts ausmachen, klassische Gitarre zu lernen. Von Andres Segovia war ich total begeistert.

Abendblatt: Waren Sie schon in der Frühzeit Ihrer Karriere Jazzhörerin?

Norman: Ich habe mein ganzes Leben lang Jazz gehört. Zu Konzerten gehe ich nach wie vor, wann immer ich kann. Ich weiß noch, wie ich vor Jahren Sarah Vaughan in der Royal Festival Hall in London hörte. Nach der Vorstellung ging ich hinter die Bühne, um ihr zu danken. Wir unterhielten uns kurz über Oper und Jazz, und sie meinte, Oper könne sie niemals singen. Da sagte ich ihr: "Mit deiner Stimme, deiner Präsenz und deinem Vermögen, mit dem Publikum umzugehen, könntest du alles singen, sogar das Telefonbuch!" Sie lachte. Dann überließ ich sie den übrigen Verehrern, die sie begrüßen wollten.

Do, 10.12. 19.30, Laeiszhalle (U Gänsemarkt) Johannes-Brahms-Platz. Karten zu 23,- bis 126,- unter T. 357 666 66