Das Buch der Hamburgerin Jasmin Ramadan erzählt die Vorgeschichte zu Fatih Akins neuem Film und bietet sogar Rezepte zum Nachkochen.

Hamburg. Die Geschichte von "Soul Kitchen" ist eigentlich eine Familiengeschichte. Nur ohne Verwandtschaft. Jasmin Ramadan fasst die dunklen Haare zusammen und zwirbelt die offenen Locken zum Zopf. "Stimmt schon", sagt sie und lacht, "ein Familienprojekt." Unter ihrem linken Auge trägt sie einen kleinen Schönheitsfleck. Sie spricht schnell und unkompliziert, vor ihr im Ottenser Restaurant Eisenstein steht ein Espresso, ein doppelter.

Eine Familiengeschichte also. Fatih Akin, Adam Bousdoukos, Jasmin Ramadan. Ein Türke, ein Grieche, eine Ägypterin? Nein, drei Hamburger. Altonaer. Freunde. Ein Regisseur, der bekannteste, den das Land zurzeit zu bieten hat. Ein Schauspieler, der auch Drehbuchautor und ehemaliger Gastronom ist. Und eine Schriftstellerin. Die Schriftstellerin ist Jasmin Ramadan.

In dieser Woche ist ihr Debütroman im kleinen, ambitionierten Münchner Verlag Blumenbar erschienen, "Soul Kitchen" heißt er, genauso wie der Film von Fatih Akin, an dem er und Hauptdarsteller Adam Bousdoukos gemeinsam geschrieben haben. Die drei kennen sich seit Schulhoftagen, bevor Jasmin mit 16 die Schule abgebrochen hat. "Ich war ungeordnet", sagt sie heute über diese Zeit und skizziert in wenigen raschen Sätzen ihren - nicht eben unkomplizierten - Lebensweg.

Ihre Eltern hatten sich früh getrennt. Jasmin, die vom Vater, einem Ägypter, den Namen und das Aussehen mitbekam ("und viele Halbgeschwister auf der ganzen Welt"), schlitterte in ihre "größte und letzte Lebenskrise". Achselzuckend wischt sie mit der Hand durch die Luft: "Das kann man ja jetzt ruhig erzählen, das ist ja schon sooo lange her." Nach chaotischen, viel zu alkoholreichen Jugendjahren - unter anderem als Rapperin bei den Criminal Sisters - hat sie doch wieder zum Gymnasium zurückgefunden, Abitur gemacht und in Hamburg Germanistik und Philosophie studiert. Um Schriftstellerin zu werden, das war schon früh der Plan. 2006 erhielt sie den Hamburger Förderpreis für Literatur, jetzt, mit 35, erscheint endlich ihr Debüt. Den Vertrag für den nächsten Roman hat sie schon in der Tasche, zwei Manuskripte liegen beim Verlag, der Job beim NDR, wo sie Verkehrsnachrichten formuliert, ist derweil ein Brotberuf.

"Da drüben", sagt Jasmin Ramadan und zeigt auf einen Nebentisch, "da ist die Idee zu meinem Buch geboren." Nach einem guten Essen, das passt. Denn "Soul Kitchen", das Buch, erzählt die Vorgeschichte von "Soul Kitchen", dem Film. Die Hauptfigur ist im Roman wie im Drehbuch Zinos, ein junger Grieche, dessen Leben eng mit der Zubereitung von Essen verknüpft ist - angelehnt an die Geschichte von Adam Bousdoukos. Der nämlich hat in Ottensen bis zum Frühjahr 2009 die griechische Taverne Sotiris geführt, bezahlt von seiner Gage nach dem ersten Fatih-Akin-Kinofilm "Kurz und schmerzlos". Ihm, Adam, sieht Romanfigur Zinos übrigens so ähnlich, dass er im Buch immer wieder darauf angesprochen wird. Ein charmantes Spiel mit der Realität, das im Film allerdings nicht fortgesetzt wird.

"Soul Kitchen", das Buch, erzählt eine verrückte Geschichte vom Erwachsenwerden, fabuliert vom Essen, Trinken, Lieben, Leiden und Reisen, von Zinos' kleinkriminellem Bruder Ilias (im Film gespielt von Moritz Bleibtreu), von Hamburg, neben Griechenland und der Karibik Schauplatz des Romans, und davon, wie Zinos in die Gastronomie findet. "Die Zutaten des Lebens" ist der Einstieg überschrieben, ein Titel, der den Selbstfindungstrip des Helden ganz gut zusammenfasst. Im Anschluss an jedes Kapitel steht jeweils ein Rezept, persönlich am Herd getestet von der Autorin. Auch für sie nämlich bedeutet Kochen Entspannung, sagt sie nachdrücklich. "Einkaufen, schnippeln, das ist so eine ganz andere Konzentration als beim Schreiben."

"Fatih hat gesagt: Mach mal, ich vertrau dir", erzählt Jasmin Ramadan. "Und da ist es manchmal eben mit mir durchgegangen." Wenn Zinos auf der Karibikinsel Adios die Pfade der Logik verlässt, überdreht-übersinnliche Erfahrungen macht und Jasmin Ramadan bisweilen zu viele Figuren umständlich einführt, nur um sie wieder einzukassieren, gehört das tatsächlich nicht zu den Stärken des Romans. "Ich hatte zehn Monate Zeit", sagt Jasmin Ramadan, "ich hätte gern länger gehabt - aber der Filmstart stand ja fest."

Die Figurenführung des Helden allerdings gelingt ihr umso besser, auch ihr Tonfall ist leicht, warmherzig und pointiert. Tatsächlich hat, wer "Soul Kitchen" gelesen hat, beim späteren Kinobesuch (offizieller Filmstart ist erst im Dezember) einen Mehrwert - obwohl beide Arbeiten ganz unabhängig voneinander funktionieren. Fatih Akin bezeichnet Ramadans Roman als "das fehlende Puzzlestück, er macht die Geschichte meines Films rund". Das stimmt.

Alle Romanfiguren, die im Buch den Protagonisten Zinos als Adam zu erkennen glauben, gibt es übrigens wirklich, wie beispielsweise den Schauspieler Philipp Baltus, Jasmin Ramadans besten Freund, der auch das Hörbuch (erschienen bei Jumbo) spricht, im Film einen kleinen Cameo-Auftritt als ausgeraubter DJ hat und im Buch eine Szene als Betrunkener. Auch er ist Teil der verzweigten "Soul Kitchen"-Familie, deren Wohnzimmer lange Zeit das Sotiris war. Grillfisch, fettige Pommes und zum Nachtisch immer einen Ouzo. "Das Essen war da nicht so doll", gesteht Jasmin Ramadan und lächelt. "Aber darum ging's ja auch gar nicht." Es ging um viel mehr, um Soul Kitchen - Futter für die Seele.