“Wovon wir träumten“ erzählt vom Schicksal japanischer Auswanderinnen in den USA

Dieser Roman erzählt eine wahre Geschichte: Anfang des 20. Jahrhunderts überquerte eine Gruppe junger Japanerinnen den Ozean, mit einem Hochzeitskimono und jeder Menge Träume von einem anderen, einem besseren Leben. "Auf dem Schiff waren die meisten von uns Jungfrauen. Wir hatten langes schwarzes Haar und flache breite Füße, und wir waren nicht sehr groß." So beginnt die wundersame Erzählung "Wovon wir träumten" von Julie Otsuka; wundersam deshalb, weil der Stil der amerikanischen Autorin eher ungewohnt ist: Sie erzählt gleichförmig, sehr schlicht, an manchen Stellen klingt es fast wie eine Aufzählung.

Zum Beispiel der Moment, als die Japanerinnen das Schiff verlassen und die erste Nacht mit den Männern verbringen, die ihnen vor Kurzem noch zärtliche Briefe schrieben. "In jener Nacht nahmen unsere neuen Ehemänner uns schnell. Sie nahmen uns ruhig. Sie nahmen uns sanft, aber fest, und ohne ein Wort zu sagen. (...) Sie nahmen uns, obwohl wir noch immer seekrank waren und der Boden unter unseren Füßen nicht aufhörte zu schwanken. Sie nahmen uns gewaltsam, mit ihren Fäusten, sobald wir versuchten, sie abzuwehren. Sie nahmen uns, obwohl wir sie bissen. Sie nahmen uns, obwohl wir sie schlugen. Sie nahmen uns, obwohl wir sie beleidigten und um Hilfe riefen (es kam keiner)."

Es ist die Stimme eines allwissenden "Wir", einer weisen alten Seele, die diese Sätze aneinanderreiht, und zusammen entfalten sie eine Kraft, der man sich bald nicht mehr entziehen kann. Denn natürlich finden die jungen Japanerinnen in den USA nicht ihr Glück. Sie prostituieren sich, arbeiten als Putzfrauen oder Erntehelfer auf den Gemüse- und Obstplantagen des Mittleren Westens. Dort sind sie besonders beliebt: "Wir waren schneller als die Filipinos und nicht so arrogant wie die Hindus. Wir waren disziplinierter als die Koreaner. Wir waren ernsthafter als die Mexikaner. Wir waren billiger zu ernähren als die Arbeiter aus Oklahoma und Arkansas, sowohl die hell- als auch die dunkelhäutigen."

Es dauert nicht lang, und die jungen Frauen begraben ihre Träume in den Furchen der Felder. Es sind unzählige. Julie Otsuka reiht sie einfach nur aneinander, Satz für Satz, und das ist meisterhaft: Denn wie kann man das Schlimme besser begreifen als durch eine Aufzählung dessen, was fehlt? "Dieses kleine Buch hat mir das Herz gestohlen", sagt Martia Golden über "Wovon wir träumten". Sie ist Jurorin des internationalen Schriftstellerverbandes PEN. Man kann ihr nur zustimmen - und einen Dank an die Übersetzerin anschließen.

Julie Otsuka: "Wovon wir träumten", aus dem Amerikanischen von Katja Scholtz, Mare, 160 S., 18 Euro