Die Schauspielerin ist im Alter von 51 Jahren gestorben. Berühmt gemacht hat sie die Titelrolle der “Lulu“ am Hamburger Schauspielhaus.

Hamburg. Es ist das Schicksal der Schauspieler, dass sie gleichermaßen dünnhäutig wie unglaublich präsent sein müssen. Und es ist eben dieses anziehende, abgründige und dabei so verletzliche Mädchen, das man sofort vor sich sieht, wenn man an Susanne Lothar denkt. Ihre "Lulu", die sie unter Peter Zadek am Hamburger Schauspielhaus so schutzlos, so intensiv und auf verstörende Weise betörend gespielt hat, dass man fast Angst um sie bekommen konnte. Um die Figur, um die junge Schauspielerin, es war kaum zu trennen, um sie, die sich dort auf der Bühne so kompromisslos herschenkte.

Susanne Lothar ist tot. Und es ist diese Kompromisslosigkeit, ihre Zartheit und ihre Unbedingtheit, die einem in den Sinn kommen, wenn man nun die Nachricht des Familienanwaltes lesen muss, dass Susanne Lothar mit nur 51 Jahren gestorben ist, ohne dass man erfährt warum.

Es mag ein Zufall sein, dass sich erst vor wenigen Tagen der Todestag ihres Mannes, des Schauspielers Ulrich Mühe, zum fünften Mal jährte. Er war mit 54 Jahren an Krebs gestorben, sein Tod erschütterte ihre Welt.

Susanne Lothar wuchs in einer Schauspielerfamilie auf, ihr Vater war Hanns Lothar, ihre Mutter Ingrid Andree, beide standen vor der Kamera und auf der Bühne. Noch vor dem Abitur begann auch Susanne Lothar an der Hamburger Hochschule für Theater und Musik zu studieren, Hamburg war und blieb lange ihre Theaterstadt.

Hier debütierte sie am Thalia-Theater, wo auch schon ihre Mutter als Schauspielerin gearbeitet hatte, hier spielte sie an den Kammerspielen und im Winterhuder Fährhaus, hier begann auch ihre schicksalhafte Zusammenarbeit mit Peter Zadek. 16 Jahre jung war sie, als sie ihn kennenlernte, in einer Silvesternacht, jemand hatte einen Böller unter ihr Kleid geworfen. Es war der Moment, so hat es Zadek später erzählt, als er wusste, dass sie eines Tages seine "Lulu" sein würde. Fünfmal hat sie mit ihm gearbeitet, "so intensiv, dass es gefühlte 20 sein könnten", wie sie nach seinem Tod zum Abschied schrieb.

Susanne Lothar war, wie er und wie viele, mit denen sie arbeitete, eine Künstlerin der Bedingungslosigkeit. "Ich bin mitgeflogen über alle Konventionen hinweg", beschrieb sie rückblickend ihre Probenarbeit an der "Lulu". Ein schönes Bild, das nicht nur ihr Probengefühl, sondern durchaus auch den Zustand des Zuschauers umfasst. Wer sich auf ihr Spiel einließ - und wer hätte sich dem widersetzen können -, den ließ sie mitfliegen.

In Erinnerung bleibt sie, die Freunde Suse nannten, auch in ihrer beeindruckenden Rolle in Michael Hanekes oscarnominiertem Kinofilm "Das weiße Band". Wie sie dort eine hilflose Fassungslosigkeit spielt, in einer Umgebung der Demütigung und der Unterdrückung, auch das zeigt - wie schon die "Lulu" - diese so seltene Verbindung aus Verletzlichkeit und darstellerischer Wucht. Es zeigt viel von ihr.

Susanne Lothar hat viermal mit Michael Haneke gearbeitet, hat aber auch für den "Tatort" gedreht und adelte zuletzt als "Gurkenkönigin" den "Polizeiruf 110". Für ihr Filmdebüt in Tankred Dorsts "Eisenhans" (1983) erhielt sie damals den Bundesfilmpreis, 1988 wurde sie zur "Schauspielerin des Jahres" gekürt, noch 2009 und 2010 war sie als jeweils Beste Nebendarstellerin für den Deutschen Filmpreis nominiert. Auf der Bühne waren neben Peter Zadek vor allem Jürgen Flimm und Luc Bondy ihre Regisseure.

Das Theater, und ganz besonders das Hamburger Theater, hat Susanne Lothar immer als ihre Heimat begriffen. Sie spielte auch in Wien und Berlin, aber das Hamburger Theaterpublikum war ihr das liebste, immer behielt sie die hiesige Szene fest im Blick.

Es ist keine zwei Jahre her, dass Susanne Lothar in einem Abendblatt-Gespräch vorschlug, doch die Kölner Intendantin Karin Beier zur nächsten Schauspielhaus-Chefin zu machen. Sie wird es tatsächlich, im kommenden Jahr. Und keine zwei Jahre ist es her, dass Susanne Lothar offenbarte, sie würde so "wahnsinnig gerne wieder vor Hamburger Publikum spielen".

Es ist so unendlich traurig, dass das niemals mehr passieren wird.