Überraschend kommt die britische Artrock-Band Marillion heute nach Hamburg - für ein Konzert in der Markthalle

Markthalle. Eigentlich stand in diesem Sommer kein Deutschland-Konzert auf dem Tourplan von Marillion. Doch weil die britische Artrock-Band Skandinavien bereiste, entschied sie sich, einen Abstecher nach Hamburg zu machen. Für ein Überraschungskonzert an diesem Mittwoch. Sicher auch ein Zugeständnis an die vielen treuen Fans, die das Quintett in der Hansestadt hat und die jedes Mal lospilgern, wenn ein Auftritt der seit Ende der 70er-Jahre existierenden Gruppe bevorsteht. Als Headliner spielte die Band zuletzt 2007 in der Markthalle. Konzerte von Marillion sind in der Regel Männersache. 80 bis 90 Prozent ihrer Anhänger sind männlich, nur vereinzelt von Frau oder Freundin begleitet.

Obwohl Sänger Steve Hogarth viel Pathos in seine Stimme legen kann und viele Songs einen romantischen Touch haben, wird der Sound der Band von oft endlos langen Soli der Instrumentalisten dominiert. Diese technischen Frickeleien werden von weiblichen Musikfans nicht besonders goutiert. Nummern von zehn Minuten Länge sind Standard, manchmal geraten diese orchestral anmutenden Kompositionen auch doppelt so lang. Diese ausufernden Stücke stecken voller Details und Verzierungen, Dramatik erreicht die Band durch Hogarths inbrünstigen Gesang und häufige Tempiwechsel. Marillion steht in der Tradition von Bands wie Yes und Genesis, als Peter Gabriel noch deren Sänger war.

Als Derek William Dick, kurz "Fish", in den Anfangsjahren von Marillion für den Gesang verantwortlich war, wurde die Band oft süffisant als "die zweitbesten Genesis aller Zeiten" bezeichnet, weil Fishs Stimmlage der von Gabriel sehr ähnlich war. Fish hatte entscheidenden Anteil am frühen Erfolg der Band, die Anfang der 80er-Jahre richtungsweisend im sogenannten Neo-Progressive-Rock war. Doch 1988 trennten sich die Wege des Sängers und der übrigen Bandmitglieder, weil man sich über die zukünftige musikalische Ausrichtung nicht einig war. Fish startete eine erfolgreiche Solokarriere, und Steve Hogarth ersetzte ihn.

Mit Hogarth, der bei der New-Wave-Combo The Europeans Keyboard und Klavier gespielt hatte, wandelte der Stil von Marillion sich, weil der Sänger sich nicht mehr in den Mittelpunkt der Band stellte. Den fünf Musikern geht es seither vor allem darum, einen atmosphärisch dichten Gesamtklang zu erzeugen. Aus dem frühen Repertoire wurde nur der Hit "Kayleigh" übernommen. Während man in der Fish-Phase bei Marillion noch mitrocken konnte, wird in den Konzerten heute vor allem intensiv zugehört. Mehr und mehr hat sich Marillion in den vergangenen Jahren zur Artrock-Band gewandelt. Von der Urbesetzung ist nur noch Gitarrist Steve Rothery dabei.

Nachdem die Briten in den vergangenen Jahren ihr Geld vor allem mit Tourneen verdient haben - unter anderem spielten sie im Vorprogramm von Deep Purple und waren gemeinsam mit der kanadischen Rockband Saga unterwegs - steht im kommenden Herbst die Veröffentlichung eines neuen Albums an. Das bisher letzte Album "Somewhere Else" war 2007 erschienen und erreichte Platz 36 der deutschen Charts. Nur "Brave" war 1994 erfolgreicher. Aufgenommen hat das Quintett die neue Platte in den Real World Studios von Peter Gabriel.

Beim einzigen Sommerkonzert in Hamburg werden ein paar der neuen Nummern Deutschland-Premiere feiern. Ein Grund mehr für die Marillion-Fans, in die Markthalle zu kommen und zu erleben, welche stilistische Entwicklung die Band genommen hat.

Marillion heute, 20.00 Uhr, Markthalle (U Steinstraße), Klosterwall 11, Eintritt 45,60; Internet: www.marillion.com