Florian Baudrexels Installation “Kneeling Window“ im Kunstverein fasziniert

Hamburg. Es ist, als würde man einen antiken Tempel betreten. Nur dass dieser nicht aus ehrwürdigen Steinsäulen, sondern aus vergleichsweise armer Pappe besteht. Die Installation "Kneeling Window" des Bildhauers Florian Baudrexel füllt derzeit den ganzen Raum im Erdgeschoss des Kunstvereins aus. Eine eindrucksvolle Pappfassade, durch eine rundliche Säule geteilt, empfängt den Besucher. Gleich einem Gesicht, das Menschen ein- und ausatmet. Hinter der Pforte offenbart sich ein gigantisches, weißes, spitzwinkliges Relief. Wie ein dreidimensionales Bild ragt es in den Raum.

Zunächst ein wirres Durcheinander aus geometrischen Formen. Die meisten aus weißer Pappe, andere aus Styropor. Dort ragt ein Gesicht heraus, hier könnte es sich um eine Fischform handeln, dann wieder entdeckt man in einer Ecke einen scheinbar lachenden Engel. Nur punktuell findet sich hier pastellige Farbe. Auch sie entspringt nicht einer Form von Malerei, sondern farbigen Oberflächen. Was genau wir sehen, bleibt letztlich im Vagen.

Der in Berlin lebende bildende Künstler Baudrexel hatte mit dem "white cube" zu Beginn so seine Schwierigkeiten. In Vorbereitung der Ausstellung baute er den Raum maßstabgetreu in seinem Atelier nach, fertigte einzelne Teile mit der ihm eigenen Akribie an und vollendete die Arbeit in zehn Tagen vor Ort. Das Werk fußt auf zwei Raumkonzepten, einem der Leere, der nur aus Wänden besteht und einem der überbordenden Fülle.

Der Titel "Kneeling Window", zu Deutsch "kniendes Fenster", verweist auf eine Arbeit von Michelangelo, die dieser 1517 für den Palazzo Medici Riccardi in Florenz entwarf. Konträr zur klassischen Ordnung setzte Michelangelo die Voluten unter das Gesims des Fensters, mit dem Effekt, dass sie das Fenster zu tragen schienen. Dadurch, dass sie im Erdgeschoss angesiedelt waren, erhält der Betrachter den Eindruck eines knienden Fensters.

Das Prinzip, Architektur zu vermenschlichen, liegt auch Baudrexel. Die Figuren am Eingang wirken wie Wächter, ebenfalls eine Form aus der klassischen Architektur. Das Phänomen des Bewachers kennt man auch von fernöstlichen Toren oder Dächern oder auch im postmodernen Film. In der Hollywood-Verfilmung von "Batman" etwa wachen steinerne Hunde auf den Dächern von Gotham City, gleichsam als stumme Begleiter des Superhelden.

Florian Baudrexel, 1968 in München geboren, studierte von 1991 bis 1998 bei Gerhard Merz an der Kunstakademie Düsseldorf. Kunsthistoriker stellen häufig Bezüge her zum Dadaisten und Surrealisten Kurt Schwitters.

Um ein Spiel mit der Form geht es Baudrexel, um die Gesamterscheinung. Bewusst wählt er Materialien, aus denen Bildhauer üblicherweise nur Modelle anfertigen. Diese überhöht er bereits zur eigentlichen Skulptur. "Kneeling Window" ist sein bislang größtes Werk. Für die Ewigkeit ist es trotzdem nicht. Nach dem Ende der Hamburger Ausstellung wird das Kunstwerk abgerissen und entsorgt. Der massive Eindruck dieser Skulptur gewordenen Malerei, er wird dennoch bleiben.

Florian Baudrexel bis 2.9., Kunstverein Hamburg, Klosterwall 23, Di-So 12.00-18.00