Eine britische Miniserie versucht sich an dem Klassiker “Stolz und Vorurteil“ - und landet zwischen “Downton Abbey“ und Bridget Jones.

In Zeiten von getrennten Rechnungen im Restaurant, Lebensabschnittspartnern und Onlinedating kann es schon vorkommen, dass man sich viele Jahrzehnte zurückwünscht in der Geschichte. In die Welt von gestärkter Bettwäsche, Duellen im Morgengrauen und Anstandsdamen, wie sie Jane Austen vor rund 200 Jahren in ihren Büchern erschaffen hat.

Dass diese Welt bis heute nicht an Aktualität eingebüßt hat, zeigt sich unter anderem daran, dass die Geschichten über das Aufwallen von Gefühlen in eng geschnürten Korsetts heute noch Schulstoff und Kaminfeuerlektüre sind. Und daran, dass beinahe jedes Jahr eine neue Jane-Austen-Verfilmung in die Kinos drängt (von "Stolz und Vorurteil" gibt es eine Bollywood-Version sowie eine amerikanische Teenie-Komödie). Das hat einerseits mit dem Emanzipationsgedanken zu tun, der sich durch das Austen-Werk zieht - in einer Zeit, als Feminismus ungefähr so angesagt war wie Sambatanz, anderseits mit der ungebrochenen Faszination historischer Sittengemälde, die das Fernsehen etwa mit der Adelsfamilienserie "Downton Abbey" bedient. Hier reiht sich "Lost in Austen" ein, die vierteilige britische Miniserie, die heute auf Arte startet.

+++ Erfolgsserien: Vom Bildschirm ins Bücherregal +++

Amanda Price (Jemima Rooper) flüchtet sich vor ihrem Rüpelfreund und dem öden Versicherungsmaklerjob allabendlich in die Welt von "Stolz und Vorurteil" - bis sie mit einem Mal selbst in das Anwesen der Familie Bennet purzelt wie einst Alice ins Wunderland. Da hockt sie nun mit Handy, Klimperschmuck und losem Mundwerk zwischen schönen Töchtern, die Rousseau im Galopp verschlingen, Glasperlen sortieren oder Quadrille tanzen.

Leitthema der Serie (und des Romans) ist natürlich der Versuch einer Handvoll junger Frauen, ihren eigenen Platz in einer männlich dominierten Welt zu finden - und bis zum ersten Kuss, bis zum Traualtar ist es ein langer Ritt über manch einen Holzweg (oder -kopf).

Man ist gern Zuschauer bei dieser Popversion eines Austen-Stoffes, in dem sich die Heldin stets selbst kommentiert, wie es der britische Kinopummel Bridget Jones vorgemacht hat. In das bekannte Spiel von Abneigung, Liebe, Leidenschaft, Hoffnung und Verzicht platzen Drehbuchvarianten, die so nicht im Buch stehen und immer wieder das Weltliteratur gewordene Romanende gefährden. Denn Elizabeth Bennet (Gemma Arterton), die vorgesehen ist, den versnobten Melancholiker Mr. Darcy zu heiraten, hat sich ins London der Gegenwart eingeschlichen, während sich Amanda in Kleider mit Empiretaille quetscht und ihren Part in der frühen britischen Klassengesellschaft einnimmt.

"Ich bin seit 14 Jahren in ihre Figur verliebt", sagt Amanda mit Blick auf Seerosenteich zu Mr. Darcy, der auch auf den Krankenhausfluren von "Grey's Anatomy" Herzen brechen könnte mit seinen Augen auf halbmast und dem kräftigen Kinn. Die Absurdität ist zugleich das Vergnügliche an dieser Serie; das Gefühl der Figuren, an einem Ort gestrandet zu sein, dessen Spielregeln sie sich erst aneignen müssen.

Jane Austen schreibe mit "einer scharfen Zunge, aber zärtlichem Herzen" - dieses Lob, das einst Virginia Woolf formulierte, haben die Macher wörtlich genommen und aus dem Gesellschaftsporträt mit sich mühsam bahnbrechenden Leidenschaften ein freches Verwirrspiel herausgekitzelt. Amanda flucht wie ein Bierkutscher, die debütantinnenweißen Mädchen kichern verlegen - und es wundert nicht, dass es der Wirbelwind aus London ist, der die Geschichte wieder in die rechte Bahn lenkt, die schrecklich schiefzugehen droht. Nicht irgendeine Geschichte, sondern der Klassiker der englischen Literatur. Austens Romane handeln allesamt von weiblicher Ohnmacht. Dieser Tatsache setzt "Lost in Austen" eine junge rothaarige Frau mit dem Temperament eines Orkans entgegen.

"Lost in Austen" heute, 20.15, Arte