Ich möchte ein Buch empfehlen, das nicht zu denen gehört, die heute einen Hype bekommen und über die zwei Monate später niemand mehr spricht. Nein, mein Buch ist im deutschsprachigen Raum nie wirklich bekannt geworden, und ich gestehe, dass ich es bis vor wenigen Wochen auch nicht kannte.

Trotzdem hatten wir es ahnungslos im Laden stehen. Ein befreundeter Kunde erwarb es, schenkte es uns und sagte: "Lest das, ein großartiges Buch." Ich spreche von "Sturmwind auf Jamaica", dem 1929 erschienenen Roman des walisischen Autors Richard Hughes. Der Roman spielt zunächst 1860 auf Jamaika. Der Autor berichtet aus der Perspektive von sieben englischen Kindern von einem Erdbeben. Die Kinder wissen nicht, was ein Erdbeben ist, umso unmittelbarer gerät seine Schilderung. Die Eltern fürchten um das Wohl ihrer Kinder und schicken sie mit einem Schiff nach England zurück. Dieses Schiff wird von Piraten überfallen. Die Piraten meinen es ernst, gehen mit den Kindern aber zivilisiert um. Die ahnungslosen Kinder himmeln sie an und sprechen von ihnen als Gentlemen. In der Folge passiert Schlimmes: Ein Junge stirbt bei einem Unfall, ein Mädchen ersticht in Panik einen Seemann.

Angelangt in England, kommt es zum Gerichtsverfahren, in dem der Autor Richard Hughes mit der Idee der kindlichen Unschuld aufräumt. Die große Stärke des Romans - auch in der Übersetzung - liegt in der anarchischen Schilderung der Naturereignisse und menschlichen Verhaltensweisen. Ein altes, beeindruckendes Buch, das ein unerhörtes Leseerlebnis bereithält und es unbedingt verdient, entdeckt zu werden.

Richard Hughes: "Sturmwind auf Jamaica". Aus dem Englischen von Annemarie Seidel. Verlag Neue Kritik, 256 S., 19,50 Euro

In "Aufgeblättert" stellen Hamburger Buchhändler ihre aktuellen Lieblingstitel vor.