Durch das französische La Maison Niewöhner weht gelegentlich deutscher Küchenduft

Deutschland gewinnt immerhin 3:1 gegen Frankreich: "Si, ihr Deutschen könnt Riesling, Spargel und Erdbeeren, die Franzosen können bloß Soßen, manchmal, und das zu Schweinepreisen!", schimpft Massimo aus Ligurien - er leitet eine Osteria in Düsseldorf, und wenn er nach Hamburg kommt, dann gehen wir essen, und er lacht und triumphiert und erklärt, warum nur die italienische Küche was taugt.

Nun sitzen wir auf der Terrasse vom La Maison Niewöhner: Vor einem Vierteljahrhundert (die Froschschenkellutscher erinnern sich) versuchte es schon mal ein Franzosen in der Winterhuder Gertigstraße, aber das Chez Jacques scheiterte an der Übermacht der Italiener und Kneipen. Das Bierlokal Niewöhner war über 100 Jahre alt - der Fußboden neigte sich derart, dass die Zecher beim Einkehren bereits das Gefühl hatten, sie seien so betrunken, wie sie später rausstolpern wollten. Die Tische stehen jetzt weit auseinander, auch Ehebrecher oder Agenten müssen nie flüstern, um ihre Geheimnisse zu wahren.

Die drei Neuwirte achten die Hamburger Tradition und haben das Niewöhner deshalb im Namen gelassen: Gelegentlich weht deutscher Küchengeist, etwa beim Labskaus, die Köche französieren es (ein Erlebnis!). Der Franzose im Ringelhemd macht heute den Service, an anderen Tagen kocht er, seine Eltern wollten ihn ärgern und stärken, er heißt deshalb Mathias wie ein Deutscher. Die Speisekarte ist klein und garantiert Frische, wir nehmen zweimal das Drei-Gänge-Menü, es kostet nur 30 Euro (was Massimo kaum glauben kann) - der Koch spendiert vorab ein paar Pfifferlinge mit Holunderschaum, das Brot beträufeln und bestreuen wir mit Olivenöl und Salz; die Qualität scheint Massimo zu überraschen, er grunzt.

Für ihn gibt's Basilikumsuppe mit Wachtelei/Kalbsmedaillon mit Waldpilzen und Pfefferjus/Käseauswahl, für mich Tomatentartar mit Arganöl und Ziegenkäseschnee/Makrelenfilets mit grünem Spargel und Grüntee-Spargelconsommé/Erdbeertartelette mit Thymian (die Hauptgänge alleine liegen unter 20 Euro). Als Spezialität empfiehlt Mathias die Stopfleberterrine mit Trüffeln (15 Euro), und Massimo bestellt eine Portion auch davon - er nickt beim Löffeln und schweigt.

Das ist Landküche auf hohem Niveau, kein Gericht kommt auf Stelzen, die Portionen sättigen jeden Gast, der eher Hunger hat statt Appetit: Oh, Massimos Gesichtszüge verhärten sich mehr bei jedem Bissen, er scherzt nicht und guckt oft ins Leere, wie's früher der Schauspieler O. W. Fischer tat, wenn eine Illusion zerfällt. Massimo hat Durst und möchte die Situation vergessen - wir trinken eine Flasche Riesling aus dem Rheingau von Josef Leitz (27,50 Euro), danach noch einen Roten, den 2008er Domaine Ogier (36 Euro).

Massimo bezahlt und gibt viel Trinkgeld (ganz gegen seine Art), die Laune dieses Patrioten erreicht den Tiefpunkt wegen der Wahrheit: Es hat ihm sehr geschmeckt. Beim Franzosen. Um Gottes willen.

La Maison Niewöhner Di-So 18.00-23.00, Gertigstraße 14 (Bus 6, 25), T. 18 98 86 07

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