Mit dem Shanghai Symphony Orchestra wollte das Schleswig-Holstein Musik Festival auf den Länderschwerpunkt China einstimmen

Hamburg. Wenn Touristen aus China zurückkehren, haben manche von ihnen diese - auf weitere Entfernung total echt und wirklich teuer aussehenden - T-Shirts dabei; auf denen steht dann "Dolce & Gappana", "Abercronbie & Fidch" oder "adibas". Solche plumpen Imitate, die nach dem zweiten Hinsehen ihren Geist aufgeben, fabrizieren offenbar auch einige chinesische Komponisten gern, um Eindruck zu schinden. Denn hätte Chen Qigangs "Er Huang" für Klavier und Orchester ein Etikett eingenäht, könnte dort glatt "A Superfine Quality Piano Concerto by Moritz Rawel, Paris 1930" zu lesen sein. Schon erstaunlich, wie wenig eigene Ideen man für ein Stück haben kann.

In diesem Sommer steht die Musik Chinas im Mittelpunkt des Schleswig-Holstein Musik Festivals; das Länderschwerpunkt-Eröffnungskonzert wurde nach dem ersten Durchgang in Kiel am Sonntag in der Laeiszhalle wiederholt. Leider, muss man wohl sagen. Dass das Shanghai Symphony Orchestra es bei der Lautstärke gern saftig übertrieb, während Details und Eleganz auf der Strecke blieben - nicht schön, aber geschenkt, das kann einem auch mit hiesigen Mittelklasse-Orchestern passieren, die einen überrumpeln. Geradezu erschütternd aber war die Banalität,mit der einige der importierten Werke - die ja nur wenige Jahre alt sind - sich der historisierenden Klischeeseligkeit beugten und auf Konfektionsware machten.

Dass Chen Qigang ein Schüler von Olivier Messiaen war - und der war nun wirklich nicht von gestern - muss man im Programmheft mindestens zweimal lesen, um es zu glauben. Sein von dem Jung-Pianisten Bi Cong konfirmandenbrav weggespieltes Klavierkonzert strotzt vor Floskeln und Arpeggio-Plattitüden, die man ansonsten nur in schlimmen Soundtracks ertragen muss. Die Bambusflöten-Virtuosin Tang Junqiao, Solistin in einem Konzert für Dizi und Orchester, beeindruckte zwar, weil dieses Instrument völlig klappenfreierstaunliche Tonkaskaden ermöglicht und sich geschickt mit Klangfarben und archaischen Stimmungen spielen lässt. Aber auch das war keine wirkliche Überraschung, sondern nur Bestätigung für eine Musiktradition und eine Musikphilosophie, die Welten von den unsrigen entfernt sind.

Nach der Pause folgte eine naturalistisch gedachte Ost-West-Collage: die drei Sätze von Debussys impressionistischem Klanggemälde "La Mer", umrahmt von noch mehr Chen Qigang - vier seiner "Fünf Elemente"-Vertonungen. Dirigent Yu Long echauffierte sich mächtig, um in den Debussy-Abschnitten große Wellen zu machen. Das gelang unübersehbar, das Stück jedoch strandete, ganz im Widerspruch zu Debussys Absicht, sparsam und sensibel sein zu wollen. Wasser, Holz, Feuer und Metall wiederum klangen genau so, wie es zu erwarten war: Bilderbuch-Orchestrierung, aber im bedenklichen Sinnedes Wortes, weil hier lediglich eine Klangtapete vorgeführt wurde. Eine schön hergerichtete Oberfläche. Sollte das Konzert nur diese eine repräsentative Aufgabe gehabt haben, ist die Rechnung voll und ganz und weitgehend belanglos aufgegangen.