Der “King Rocker“ Billy Idol liefert im ausverkauften Stadtpark ein gelungenes Konzert auf Altmeister-Art ab. Eine Gewohnheit von ihm.

Hamburg. Da der letzte Auftritt von Billy Idol im Stadtpark schon vier Jahre zurückliegt , haben seine Fans genug Zeit, sich akribisch vorzubereiten. 4500 Besucher drängten sich am Dienstag im rappelvollen Rund, viele haben Vinyl-Plattencover, CD-Hüllen oder T-Shirts dabei, auf ein Autogramm hoffend. Auch die nette Gruppe neben uns hat einen Plan: Einer holt nach jedem dritten Song Bier, einer filmt am Smartphone mit, der Rest feiert.

Und dafür gibt es gute Gründe an diesem im Vergleich zu 2008 sehr milden Julitag. Billy Idol, der wohl seit 56 Jahren blondierte Brite, war in seinen Hochzeiten in den 80er-Jahren eines der exzessivsten Sumpfinchen im Popgeschäft, aber im Stadtpark zeigt er sich erneut in Topform. Wie auch immer er es macht (Bankdrücken? Schweinehälften verkloppen?), sein Bauch ist nach wie vor so straff, dass man darauf Kokosnüsse aufschlagen könnte. Seine Band, allen voran der von den Fans abgöttisch verehrte Gitarrist Steve Stevens, steigt standesgemäß mit "Ready Steady Go" und "Dancing With Myself" ein, Idol geht zu jedem seiner fünf Mitstreiter und flüstert etwas ins Ohr. Was mag er sagen? "Heute machen wir alles kaputt"? Es folgen jedenfalls Taten.

Stevens spielt wie Jimi Hendrix hinter dem Rücken, das rohe "(Do Not) Stand In The Shadows" wird aus dem Archiv gewühlt, und die Zuschauer beantworten die ausgelassene Spielfreude auf der Bühne mit frenetischem Jubel und zornigem Durst. Rock 'n' Roll. Punk, Glam-Pop.

Natürlich wirken Songs wie "Flesh For Fantasy" oder das räudige "Too Far To Fall" auf junge Lümmelrock-Hipster mittlerweile recht angestaubt, auch Idols Posen wie den Karpfenflunsch (Lippen schürzen), den Disco-Vierzigtonner (die Faust pumpen wie ein hupender Lkw-Fahrer) und den "Genau dich meine ich"-Zeigefinger kennt man zur Genüge. Und doch funktioniert gut gemachte Unterhaltung der alten "King Rocker"-Schule auch in der Wiederholung, mit "Kings And Queens Of The Underground" wird sogar ein neuer Song präsentiert.

Die Clique nebenan verfolgt gebannt, wie Idol die ihm hingehaltenen Plattenhüllen signiert, Hände im Dutzend schüttelt, eine Dame zum Tanz einlädt und aus dem Doors-Cover "L.A. Woman" ein "Hamburg Woman" macht. Für eventuell anwesende Hannoveraner garniert mit einem Uralt-Riff der Scorpions ("I'm Going Mad") aus dem Jahr 1972. Aber vielleicht ist das nur Zufall.

Die Nachbarn türmen ihre leeren Becher so schnell wie die Schnellstapler auf YouTube. Der Smartphone-Filmer unterbricht für eine SMS und fängt sich einen bösen Rüffel ein. Man will ja nicht verpassen, wie Idol zum kurzen "Tutti Frutti/Long Tall Sally"-Medley an Little Richards "Konzert in Hamburg 1961" erinnert, wie Billy erzählt. Little Richard spielte zwar nur zwischen 1962 und 1964 mehrfach im Star-Club, aber das sei dem damals noch rotznasigem Billy Idol, Jahrgang 1955, verziehen. Wir haben ja auch im Vorfeld behauptet, er hätte seit Jahren keinen neuen Song mehr geschrieben.

Mit "Blue Highway" und "Rebel Yell" wird vor den Zugaben noch mal gut ausgeteilt, und das nicht nur musikalisch. Alles, was noch auf der Bühne herumliegt, wird an das Publikum abgetreten. Trommelstöcke und Setlisten für die ersten sowie unterschriebene Frisbees aus Papptellern für die hinteren Reihen. "Der Akku ist gleich leer", seufzt der Smartphone-Dokumentarfilmer, aber seine Truppe hört gar nicht zu. "White Wedding" und ein gefälliges Schlagzeug-Solo von Jeremy Colson vereinen Jubel- und Getränkepegel in ausgelassener Harmonie.

Nach dem Finale mit "Mony Mony" stellt Idol noch seine Band vor und bedankt sich höflich auf Deutsch für den in der Tat wunderbaren Abend. Zwei Stunden super abgeliefert auf Altmeister-Art. Wie bei AC/DC wird nicht viel Neues geboten, aber das gekonnt und mit Spaß an der Sache. Eine halbe Stunde mehr wäre sogar noch drin bis zur 22-Uhr-Schallgrenze. Aber das besorgt das Hamburger Rock-Trio Still In Search mit einem Guerilla-Gig auf der Grillwiese. Die Musik ist aus. Und ist immer noch da. Klasse.