Vor 50 Jahren gründeten sich die Rolling Stones. Ein Besuch im norddeutschen Stones-Museum bei einem, der fast von Anfang an dabei war.

Lüchow. "Kannst du dir vorstellen mit Sex, Drugs und Rock 'n' Roll dein Geld zu verdienen?" "Mit Drogen nicht, aber das andere ist in Ordnung." Ein Handschlag - und die Welt ist für Ulli Schröder aus Lüchow fortan eine andere. 30 Jahre lang hatte Schröder als Bankkaufmann in Uelzen und als Bezirksleiter für die Landesbausparkasse gearbeitet, jetzt steht er auf einer privaten Geburtstagsparty in Dublin Ron Wood gegenüber. Der Rolling-Stones-Gitarrist bietet dem deutschen Stones-Fan und -Sammler an, sein Galerist zu werden. Schröder zögert nicht einen Augenblick. Der Deal ist perfekt.

Zehn Jahre ist die Begegnung jetzt her. Seitdem hat Ulli Schröder, kinnlange weiße Haare, runde Brille, verschiedene Ausstellungen mit Bildern und Drucken von Ron Wood in ganz Europa organisiert, und er hat sich einen weiteren Traum erfüllt: ein eigenes Museum. Von einem Fan für Fans.

Zum ersten Mal sah Schröder die Rolling Stones am 13. September 1965. Damals spielte die Band in der Hamburger Ernst-Merck-Halle. Schröder, damals 15, fuhr mit dem Zug von Uelzen aus dorthin. "Was willst du bei dieser Hottentottenmusik?", hatte ihn sein Vater abschätzig gefragt. Doch der Teenager war vom Rock-Virus infiziert. Vom Hamburger Konzert brachte er seine ersten Sammlungsstücke mit zurück: seine Eintrittskarte und ein Tourplakat. Seitdem hat er 159 Konzerte der Band gesehen, die ihre Karriere am 12. Juli 1962 im Londoner Marquee Club startete und zur "größten Rockband der Welt" wurde, wie Sänger Mick Jagger und Gitarrist Keith Richards bis heute betonen. Sie sind die Einzigen, die von damals bis heute dabei sind. Man sieht es ihren Gesichtern an.

Schröder trägt ein fröhliches Lachen. In seinem Museum in Lüchow finden sich Memorabilia aus allen Karrierephasen der Rolling Stones. Goldene Schallplatten, Tourplakate, allesamt signiert, seltene Singles, Flipperautomaten im Rolling-Stones-Design, 2000 verschiedene Tonträger und der Billardtisch von Ron Wood mit allen Autogrammen der Bandmitglieder. "Das Ding wiegt 1,6 Tonnen und wurde immer im Backstage-Bereich aufgestellt. Der Aufbau dauert sechs Stunden", erzählt der 62 Jahre alte Museumsgründer. Den Billardtisch hat er als Leihgabe erhalten - allerdings mit der Klausel, dass im Falle einer Tournee das Exponat bei ihm abgeholt wird und dann noch einmal mit dem Stones-Zirkus um die Welt reist. Im Umfeld der Stones wird spekuliert, dass es im kommenden Jahr dazu kommen könnte.

Eine Herberge hat dieses außergewöhnliche Spielgerät in einem ehemaligen Supermarkt in einer kleinen Straße im Zentrum des 10 000-Einwohner-Städtchens Lüchow gefunden. Für 200 000 Euro konnte Schröder das zweistöckige Haus kaufen, 100 000 Euro erhielt er als Anschubfinanzierung von der Stadt. Auf 1000 Quadratmetern stehen Schaukästen und Vitrinen, die Wände sind mit Bildern und Plakaten gepflastert, viele davon Drucke von Woods großformatigen Bildern. Es gibt eine Bühne und eine original Pub-Theke, denn Schröder hat in seinem Museum auch schon Konzerte veranstaltet. "Mein größter Traum wäre es natürlich, wenn mal ein Stones-Mitglied hier spielen würde." Immerhin ist Blondie Chaplin, ein ehemaliger Background-Sänger der Stones, schon für einen Auftritt ins Wendland gekommen, Mick Jaggers Bruder Dean hat ebenfalls zugesagt, und auch mit Mick Taylor, von 1969 bis 1974 Nachfolger des verstorbenen Stones-Gitarristen Brian Jones, steht Schröder in Verhandlungen.

Ein Museumsbesuch in Lüchow bedeutet für den Musikfan nicht nur ein nostalgisches Eintauchen in die Welt dieser wegweisenden Band, sondern auch die Chance, im Gespräch mit dem Museumschef jede Menge Details über die Rolling Stones zu erfahren. Ulli Schröder steckt voller Anekdoten, weil er zu den wenigen Auserwählten gehört, die Zugang zum Backstage-Bereich der Stones bekommen. Dort herrschen jedoch strenge Regeln. "Als ich Ron Wood mal an diesem Billardtisch nur mit einem ,Hallo!' begrüßt habe, drehte Keith Richards sich zornig um und knurrte mir ein "Halt die Schnauze!" entgegen", erzählt Schröder. Seine Arbeitskleidung ist übrigens eine schwarze Frackjacke, über und über mit Stickern und Aufnähern wie der Stones-Zunge bedeckt, dazu trägt er einen federgeschmückten Zylinder.

Zum 50. Bühnenjubiläum der Rolling Stones ist gerade im Prestel-Verlag ein von der Band selbst herausgegebener aufwendiger Bildband erschienen, der mehr als 1000 Fotos mit Kommentaren der Musiker enthält. Nur auf der letzten Doppelseite ist keines der Bandmitglieder zu sehen. Hier erweisen die Rolling Stones ihrem größten deutschen Fan ihre Reverenz: Das Bild zeigt Ulli Schröder aus Lüchow in seiner Kluft.