Beim Bachmann-Preis überzeugt die aus Russland stammende Autorin Olga Martynova

Klagenfurt. Erst nach mehreren Stichwahlen standen am Sonntag in Klagenfurt die Preisträger des 36. Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs fest. Den Hauptpreis - und damit 25 000 Euro - gewann Olga Martynova, die Anfang der 90er-Jahre ihre Heimat Russland verließ und heute in Frankfurt am Main lebt. Sie schreibt ihre Texte sowohl auf Russisch als auch auf Deutsch, u. a. für mehrere Tages- und Wochenzeitungen. Martynova überzeugte mit dem Text "Ich werde sagen: Hi!", den Juror Paul Jandl als "Geburt eines Dichters durch die Erotik" beschrieb. In Martynovas Erzählung ginge es um eine Kindheit, die ende, und "um die Sinnlichkeit gut gefüllter Damenstrümpfe". Jurorin Daniela Strigl freute sich über den "hintersinnigen, anarchischen Witz" in der Erzählung. Insgesamt wurde über 14 eingereichte Prosatexte abgestimmt.

Der Kelag-Preis mit 10 000 Euro ging an den gebürtigen Polen Matthias Nawrat, der in Bamberg und Biel (Schweiz) lebt. Sein satirischer Text "Unternehmer" wurde nach einer Stichwahl gewählt und fand Lob als "kluge Satire auf den Literaturbetrieb". Der 1979 geborene Autor schildert mit sprachlichen Einschüben aus der Wirtschaftswelt das merkwürdige Treiben einer desolaten Altmetallhändler-Familie, die vom Auswandern nach Neuseeland träumt.

Den 3sat-Preis mit 7500 Euro sprach die Jury Lisa Kränzler aus Freiburg für ihren Text "Willste abhauen" zu. Überschattet wurde dies vom Tod von Kränzlers Lektor Jan Jenrich vom Verbrecher Verlag. Jenrich starb in Klagenfurt im Schlaf an einem Herzversagen, wie der Verlag mitteilte. Juror Hubert Winkels, der Kränzler vorgeschlagen hatte, hielt in seiner Laudatio fest, Jenrich habe zum Gelingen des Textes und damit auch zum Erfolg der Autorin maßgeblich beigetragen.

Der Ernst-Willner-Preis der Verlage in Höhe von 5000 Euro geht an die Berlinerin Inger-Maria Mahlke für den nicht betitelten Auszug aus einem Roman. Sie durchleuchtet das Leben einer alleinerziehenden Mutter, die als Domina arbeitet und im Schutze ihrer Latexmaske einen Ausweg aus ihrem trostlosen Leben zu finden scheint.

Die Zuschauer kürten in der Internet-Abstimmung die Niederösterreicherin Cornelia Travnicek zur Trägerin des Publikumspreises, der mit 7000 Euro dotiert ist. Travnicek gewann die Sympathien mit der Geschichte "Junge Hunde" - und ein Stadtschreiberstipendium in Klagenfurt.

Der Hamburger Autor Andreas Stichmann ging leer aus. Er schilderte aus der Perspektive eines jungen "Einsteigers" ein bürgerliches Familienidyll. Jemand nistet sich in einer fremden Wohnung ein und vollzieht in seiner blühenden Imagination die schiedlich-friedliche Übernahme eines Lebensmodells. Der Hamburger nutzt die Thrillerelemnte originell und witzig, ohne das Unheimliche, Blutsaugerische daran zu unterschlagen. Kritikerin Meike Feßmann hatte Stichmann vorgeschlagen.

Der Ingeborg-Bachmann-Preis gilt als eine der bedeutendsten Auszeichnungen für Literatur im deutschsprachigen Raum. Er wird seit 1977 vergeben. Gestiftet wurde die Auszeichnung von der österreichischen Stadt Klagenfurt im Gedenken an die 1973 verstorbene, aus Klagenfurt stammende Schriftstellerin und Lyrikerin Ingeborg Bachmann.