Philipp Löhle schafft es, die Gegenwart in Theatergedanken zu fassen. Die Winterhuder Komödie zeigt sein Stück “Der Wind macht das Fähnchen“.

Hamburg. Philipp Löhle nennt seine neue Komödie "Der Wind macht das Fähnchen" ein Einfamilienstück. Darin schickt der Theaterautor Vater, Mutter, Tochter und Sohn in den erbarmungslosen Strudel sich wiederholender Wirtschaftskrisen. Löhle interessiert sich nämlich nicht für Katastrophen oder psychologische Kleinkriege innerhalb der Familie, er zeigt vielmehr, wie konjunkturabhängig ihr Funktionieren ist, wie die Verhältnisse das Leben und Überleben bestimmen. Und das durchaus lustig - obwohl es um ein ernstes Thema geht. Genau die richtige Stückwahl für das "Kontraste"-Programm in der Winterhuder Komödie, wo es Harald Weiler für die heutige Premiere inszeniert.

Nicht umsonst rühmen Kritiker Löhle als "Schicksalskomödianten, der unsere Zeit in Theatergedanken fasst". Er ist auch ein Sprachspieler, verdreht die Metapher vom Fähnchen, das sich in den Wind hängt, ins Gegenteil: Der Wind macht das Fähnchen. "Die Familie ist doch eigentlich geschaffen, um glücklich zu sein", sagt er. "Bei mir kommt das Drama von außen durch den ökonomischen Wandel auf sie zu. Man sitzt doch gewissermaßen in einem Mixer, der sich immer schneller dreht." Selbstbestimmung sei eine Täuschung. Im Stück erliegt ihr der Vater, gespielt von Konstantin Graudus. Aus Stolz wirft Papa den Job hin: Er will sich nicht "verarschen" lassen. Auch den zweiten verliert er, was er der Familie verheimlicht. Er ist ein Träumer, der von der Insel Nauru schwärmt, aber mit der Utopie vom autarken Familienparadies nur sich und die Seinen betrügt.

Leicht ließen sich Löhles farcenhafte, kapitalismuskritische Parabeln über den Leisten des epischen Theaters spannen - nicht nur im Einfamilienstück, sondern auch in "Genannt Gospodin" oder "Das Ding", das 2011 erfolgreich im Malersaal des Schauspielhauses uraufgeführt wurde. Doch mit Bertolt Brecht hat Löhle nicht viel am Hut. Was er schätzt, sind die Möglichkeiten des Erzähltheaters. "Ich kann mittels der Erzählebene eine viel größere Welt darstellen. So verstehe ich Theater, ohne dass ich mir lang Gedanken über Brechts Theorien gemacht hätte." So kann er Orts- und Zeitsprünge vornehmen, wie er Lust hat. Seine Fantasie und sein Wortwitz entzünden sich an den Figuren und ihren Geschichten. "Selbst wenn sie dumme Dinge tun, verstehe ich sie, mag ich sie und verurteile sie nicht."

Löhle, Jahrgang 1978, hat bereits eine eindrucksvolle Karriere als Hausautor hinter sich. Er arbeitete am Maxim-Gorki-Theater Berlin, war letzte Spielzeit am Nationaltheater Mannheim, ist für die kommende vom Staatstheater Mainz gebucht. Mit "Genannt Gospodin" startete Löhle durch, war mit dem Stück für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert, erhielt 2008 für "Lilly Link" den Jurypreis des Heidelberger Stückemarkts und für "Das Ding" den Publikumspreis der Mülheimer Stücke-Tage 2012.

Der Autor inszeniert auch - ausgenommen seine Stücke. "Ich finde es schön, wenn ein anderer Regisseur mit meinen Texten etwas anstellt, in ihnen Dinge entdeckt, die ich nicht in meinem Kopf gehabt hätte. Umgekehrt finde ich es spannender, fremde Stücke auf die Bühne zu bringen." Aber er hält sich nicht für einen Vollblutregisseur. "Ich verstehe das Regieführen als Ergänzung zum Schreiben und inszeniere deshalb Gegenwartsdramatik - auch um die Fahne hochzuhalten."

"Der Wind macht das Fähnchen" ab 5.7., Theater Kontraste, Komödie Winterhuder Fährhaus, Karten unter T. 48 06 80 80; www.theater-kontraste.de

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