Bon Iver kommt am 8. Juli für ein Open-Air-Konzert in den Hamburger Stadtpark und bringt auch noch die großartige Newcomerin Poliça mit.

Hamburg. Es ist ein Privileg, den Hype des Jahres in der Hipsterstadt New York erleben zu dürfen. Poliça erklimmt hier im Mai die schmale Bühne im legendären Maxwell's Klub in Hoboken, New Jersey, zu dessen Inhabern unter anderem Sonic-Youth-Drummer Steve Shelley zählt. Bands wie New Order und Nirvana spielten hier ihre ersten Konzerte.

Ein nebliges Klanggebräu suppt da von der Bühne herunter. Alles ist Moll. Die schmale Sängerin Channy Leaneagh wiegt sich mit geschlossenen Augen hin und her. Ihre seltsam körperlose Stimme legt sich wie ein Echo über ein stabiles Fundament aus purem Rhythmus. Wer braucht schon Gitarren, wenn er ein paar funky Basslinien vorweisen kann. Eine seltsame Magie geht aus von dieser Musik, etwa in dem wunderbar elegischen "Violent Games" mit seinen sich duellierenden Schlagzeugen oder dem wippenden "Dark Star". Der Hall der Effektgeräte versetzt den Zuhörer fast in sakrale Räume. Getragen vom Rausch einer intelligenten Weltflucht. Poliça, das ist die derzeit wunderbarste Musik für Liebende und Leidende.

Das Album "Give You The Ghost" gilt vielen jetzt schon als Debüt des Jahres. Hervorgegangen ist die Band um Arrangeur Ryan Olson und Sängerin Channy Leaneagh aus der rührigen Musikszene Minneapolis'. Gewachsen im Biotop des Musikerkollektivs Gayngs, dem allerlei Musiker aus dem Mittleren Westen angehören und deren prominentester Vertreter Justin Vernon alias Bon Iver ist. Poliças rascher Ruhm gründet sich auch darauf, dass Vernon sie bei der Grammy-Verleihung im Februar als die beste Band rühmte, die er je gehört habe.

Diese Aussage rauscht seither durch den Blätterwald. Der Hype war geboren. Da nimmt es nicht wunder, dass der derzeit so angesagte Waldhüttenbarde sie jetzt ins Vorprogramm lädt, wenn er nach seinem fulminanten Auftritt im vergangenen November im Docks zu einer Dämmerstunde in den Stadtpark bittet. Der andere namhafte Verehrer Poliças ist ausgerechnet Rapper Jay-Z, der zuletzt auf sehr postmoderne Weise Hip-Hop, Elektro und Indiepop fusionierte.

Und in ebendieser sehr postmodernen Art und Weise, Musik zu machen, liegt auch das Geheimnis Poliças. Die Band amalgamiert R 'n' B, elektronische Musik und Northern Soul zu einem verführerischen Gebräu. Es ist das glückliche Zusammentreffen zweier Seelenverwandter. Olson fand in Leaneagh die richtige Partnerin für seine elektronische Abenteuerlust. Leaneagh wiederum hatte eine Scheidung von Alexei Moon Caselle und den Ausstieg aus dem gemeinsamen Folk-Projekt Roma di Luna hinter sich. Sie begann mit dem Tonhöhenkorrektur-Programm Auto-Tune zu experimentieren. Vielleicht ein bisschen zu sehr. Die ausgezeichneten Songs ihres Debüts hätten diese Dauerverzerrung gar nicht nötig.

Der Live-Charme Poliças fußt auf der raren Besetzung mit Bassist Chris Bierden und den Schlagzeugern Drew Christopherson und Ben Ivascu. Er kommt besonders gut zur Geltung in dem fast jazzigen "Form", das zu wogenden Keyboards so verwunschen von einem elegischen gesampelten Saxofon durchzogen ist. Die Welt ist roh, gewalttätig, der einzige Anker ist die Flucht ins eigene Innere. Ein Segen, dass es diese Musik gibt.

Über Bon Iver muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Justin Vernon schreibt derzeit die schönsten schwebenden Songs innerhalb der Karohemden-Fraktion. Auch er setzt mit Vorliebe zwei Schlagzeuge simultan ein. Und weil er stets mit großer Besetzung anrückt, erhalten seine filigranen Songs eine noch größere emotionale Wucht - manche klingen sogar wie echte Rocknummern.

Bon Iver, Support: Poliça So 8.7., 19.00, Stadtpark Freilichtbühne (S Alte Wöhr), Saarlandstraße/Ecke Jahnring, Karten zu 34,95 im Vorverkauf; www.boniver.org ; www.thisispolica.com