Mit lässiger Leichtigkeit improvisierten Bobby McFerrin und Chick Corea bei ihrem Konzert in der Laeiszhalle und begeisterten das Publikum.

Hamburg. In "Bird", Clint Eastwoods Liebeserklärung an Charlie Parker und den Jazz überhaupt, da gibt es diesen tragischen Moment, in der Count Basies Schlagzeuger Jo Jones dem jungen Saxofonisten ein Becken vor die Füße wirft und ihn damit brutal auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Lass gut sein, Kleiner; ist nett gemeint, was du da machst, aber du bist nichts für uns. Nicht unsere Liga, noch lange nicht. Komm erst wieder, sobald du tatsächlich genug drauf hast.

Mit dieser Duell-Szene im Hinterkopf wirkte die freundliche Frage von Chick Corea, ob vielleicht ein Pianist im Saal sei, der mit ihm ein wenig improvisieren möchte, gleich ganz anders, da konnte Corea noch so harmlos lächeln. Jeder Pianist, der noch alle Murmeln beisammen hat, sollte jetzt schön seine Arme unten behalten und sich die Chance auf eine schmerzhafte Blamage in der vollen Laeiszhalle ersparen, denkt man. Aber von wegen. Ein Berthold meldete sich, mit hochgekrempelten Hemdsärmeln, von irgendwo aus dem Parkett und kam auf die Bühne, er wollte mit dem Pianisten spielen, der 1968 in Miles Davis' Band einstieg, um Herbie Hancock zu ersetzen. Und dann folgte ein wirklich denkwürdiger Moment, als Berthold Corea und alle anderen - nur einige Takte lang - überraschte, weil er ignorierte, neben wem er gerade saß und mit der Rechten Läufe raushaute, die abhoben.

Auch der Ad-hoc-Sänger, mit dem McFerrin sich Gershwins "Our Love Is Here To Stay" vornahm, dachte vor lauter Freude über sein kurzes Glück ebenfalls nicht daran, sich durch das Rampenlicht nervös machen zu lassen.

Einfach machen, einfach loslassen, keine Angst, wird schon klappen, ist doch nur Musik, nur das so ziemlich schönste aller Spiele. Das ist das Erfolgsrezept dieses Duos, das sich seit mehr als 20 Jahren kennt und offensichtlich blind vertraut. Wie ein Konzert wirkte das nicht mehr, mehr wie ein launiges Beisammensein alter Kumpels nach Feierabend im Hobbykeller.

McFerrin spazierte mit einer Teetasse auf die Bühne, Corea schlurfte geruhsam ans Instrument, nach einem kurzen Plausch, wo es in etwa langgehen soll, fingen sie dann einfach mal an. Ein Motiv, eine Phrase, die eine Phrase verfremdet, führte zur nächsten, früher oder später landeten die beiden bei der klarer erkennbaren Andeutung eines Jazz-Standards oder eines Miles-Zitats und nicht nur bei einer angedeuteten Bassfigur oder einer umspielten Harmoniefolge, und wenn nicht, wäre das auch kein Problem. Irgendwas kommt praktischerweise immer.

McFerrin hatte scheinbar eine Kleinbusladung Schlagzeuger verschluckt; sein Oberkörper war eine Trommel, mit seiner Vokalakrobatik lieferte er Rhythmen in sein Mikro ab, die groovten und swingten wie Sau und selbst aus abstrakten Geräuschen einen saftigen Beat zaubern können. Für Corea blieb die Aufgabe, mit dem Schlaginstrument Flügel gegen McFerrins Treffsicherheit ansingen zu sollen. Auch das gelang, klar.

Was die beiden gut zwei Stunden lang mit sich und ihren Ideen anstellten, war ein Drahtseilakt auf allerhöchstem Niveau, und doch flanierten die beiden so lässig und entspannt durch die Vielfalt ihrer Einfälle, als wäre es das Leichteste von der Welt. Fehler gab es da nicht, nur neue Gelegenheiten, die Ausrutscherchen schon im nächsten Moment wie Richtiges klingen zu lassen.

Diese beiden könnten das sprichwörtliche Rad neu erfinden an solchen Abenden, wie sie es vor langer Zeit getan hatten. Dass sie es nicht taten, sondern lediglich souverän auf diese Möglichkeiten hinwiesen, war der einzige Wermutstropfen dieser unglaublich liebenswürdigen Begegnung. Man wusste schnell, was an diesem umjubelten Abend noch passieren dürfte - und was wohl eben nicht.

Gegen Ende kam Coreas größter Hit, "Spain", und das wirkte in seiner Erwartbarkeit so, als hätte McFerrin angesagt, dass er ein weiteres Mal eben nicht seinen größten, längst überholten Hit "Don't Worry, Be Happy" trällern würde. Kein Vergleich war das zu dem Teil des Konzerts, in dem McFerrin das Singen einstellte und sich zu Corea an den Flügel setzte. Sie begannen mit dem schräg verfugten Einstieg in eine Militaria-Parodie à la Schostakowitsch, um in gemeinsamer Heiterkeit über die eigene Unbekümmertheit zu landen. Das hatte nichts Circensisches, da ging es auch nicht mehr darum, wer das prächtigere Ego hat. Die beiden gönnten sich diesen kleinen Spaß, weil sie es wollten. Und weil sie es können.

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