So war's: Heute vor 100 Jahren konnten Besucher erstmals das Völkerkundemuseum besichtigen. Eigentlich sollte es doppelt so groß werden.

Hamburg. Staunend betrachteten die ersten Besucher am 2. Juli 1912 die große Halle, stiegen die breiten Stufen hinauf und gelangten über die doppelläufige Treppe in das erste Obergeschoss, wo schon damals Boote aus der Südsee zu sehen waren. Heute vor 100 Jahren hatten die Hamburger zum ersten Mal Gelegenheit, zwar noch nicht das gesamte Haus, aber die ersten Sammlungsräume des Museums für Völkerkunde zu besichtigen. Das Gebäude war schon fertiggestellt, die Präsentation der Sammlung nahm dagegen noch mehrere Jahre in Anspruch.

Die Presse war bereits ein paar Wochen eher zur Besichtigung geladen worden. So berichteten Hamburger Zeitungen schon im Mai 1912 ausführlich über das repräsentative Haus an der Rothenbaumchaussee. "Dieser Museumsbau ist aus einem innigen und unausgesetzten Zusammenwirken des Direktors mit den Architekten hervorgegangen, und auf diesem Wege hat sich etwas besonders Zweckmäßiges und Schönes ergeben", schrieb die "Neue Hamburger Zeitung". Und das "Fremdenblatt" berichtete, dass das Museum in Anschluss an eine Tagung der Deutschen Kolonialgesellschaft 14 Tage für die Öffentlichkeit geöffnet bleiben solle.

Georg Christian Thilenius war 1904 als erster hauptamtlicher Direktor des Museums eingeführt worden, das auf eine ethnografische Sammlung zurückgeht, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts in der Stadtbibliothek befand. 1904 bewilligte die Bürgerschaft den Bau eines eigenen Gebäudes. Der Entwurf stammt von dem Architekten Albert Erbe, der von 1906 bis 1912 auch die jetzt für das Unesco-Weltkulturerbe vorgesehene Bergedorfer Sternwarte entworfen hatte. Er schuf einen monumentalen Bau mit Sälen, die sich hervorragend für die Präsentation auch großer ethnologischer Projekte eigneten. Aber auch Thilenius hatte sehr genaue Vorstellungen, die Erbe wunschgemäß umsetzte. So entwarf er eine Halle, die so dimensioniert war, dass hier das bedeutendste Einzelexponat aus der reichen Sammlung des Hauses wirkungsvoll aufgestellt werden konnte. Es handelte sich um ein geschnitztes Haus, das Maori in jahrelanger Arbeit hergestellt hatten. Es ist das größte und prachtvollste Maori-Haus außerhalb von Neuseeland, ein herausragendes Beispiel der Maori-Kultur.

Der Architekturhistoriker Hermann Hipp schreibt, das monumentale äußere Erscheinungsbild des Museumsgebäudes verweise "auf den Reichtum, den Hamburg aus fernen Ländern zog, deren Kulturen hier zur Schau gestellt sind". Vollständig umgesetzt wurden die Pläne von Thilenius und Erbe leider nie, denn der Zweite Weltkrieg verhinderte den Bau der zweiten Gebäudehälfte, die sich eigentlich bis zur Feldbrunnenstraße erstrecken sollte. Dafür ist der vorhandene Museumsbau in den letzten Jahren mustergültig restauriert worden.

Und das bisher viel zu wenig bekannte Maori-Haus soll künftig als größter Schatz des Museums herausgestellt werden. Im August werden Nachkommen der ursprünglichen Schnitzer nach Hamburg reisen, um das Kunstwerk zu restaurieren. Im Oktober, wenn Neuseeland dann als Schwerpunktland der Frankfurter Buchmesse kulturell im Fokus steht, kann Hamburg das berühmte Maori-Haus so glanzvoll präsentieren, wie es einem der bedeutendsten historischen Kunstwerke dieses fernen Landes entspricht.