Der neue Standort am Niendorfer Hafen tut dem Festival aber gut

Niendorfer Hafen. Ganz so war das nicht gemeint mit dem neuen Motto. Ran ans Wasser, das klang nach Ostsee, nach dem baltischen Meer, passend für die JazzBaltica. Doch als das Wasser kam, kam es nicht von der Ostsee, sondern nahm den direkten Weg von oben, kübelweise, und setzte zum Auftakt am Freitag den neuen Standort in der Evers-Werft am Niendorfer Hafen spektakulär unter Wasser. Knöcheltiefe Pfützen, aufgeweichte Kleidung, große Gelassenheit - die Assoziationen an Newport, die Mutter aller Jazzfestivals, wurden für diesen Moment von einem Hauch von Woodstock überlagert.

In der großen Halle spielte derweil das JazzBaltica Ensemble mit dem Donner da draußen und unterstrich beides: die Kontinuität und den Neuanfang des Festivals. Mit deutlich hörbarem Spaß an der Abwechslung setzte die Band die Facetten ihrer Musik in Szene, dokumentiert mit enormer Frauenquote einen fundamentalen Wandel in der Männerdomäne Jazz und wies zugleich die Naturgewalt in die Schranken.

Der Neuanfang am neuen Standort tut der Jazz Baltica gut. Die Konzerte in der großen Werfthalle, die mit einem Fassungsvermögen von 900 Zuschauern die gewohnte Konzertscheune in Salzau um fast ein Drittel übertrumpft und weitaus bessere Sichtbedingungen bietet, waren gut bis sehr gut besucht, die Stimmung war blendend. Auch die Nähe zwischen Publikum und Musikern, ein Markenzeichen der Jazz Baltica, stellte sich schnell ein.

Und auch die Rückbesinnung auf die Ursprungsidee des Festivals, Musiker aus Anrainerländern der Ostsee in den Fokus zu rücken, erwies sich als fruchtbares Konzept. Das Quartett der Perkussionistin Marilyn Mazur oder das Trio des Pianisten Pablo Held, das in einem frei fließenden Set über eine Stunde einen spannungsreichen Bogen entwickelte, in dem Situationen und Szenerien, Kontraste und Konflikte organisch ineinanderflossen, bot große Improvisationskunst, Jazz auf der Höhe der Zeit.

Dort ist auch Herbie Hancock zu Hause, der mit einem vom Schleswig-Holstein Musik Festival organisierten Sonderkonzert den zweiten Festivalabend krönte. Mit seinem wuchtig groovenden Quartett ließ Hancock alte Hits ihre Energie entfalten: Hancock ist ein Spieler, er genießt es, mit seinen Geräten zu experimentieren, mit den Tasten, mit den Knöpfen, er genießt das Risiko der Improvisation und die Energie, die im Zusammenspiel entsteht. Und die Kontraste. In einem unbegleiteten Solo auf dem Konzertflügel setzte er leise und sparsam die Töne. Schön, ausdrucksstark. Ein alter Meister, aber unglaublich jungenhaft. Als schließlich gegen halb drei alle Hits angespielt und in Bewegungsenergie verwandelt waren, tobte die Halle. Und man ging in die Nacht: glücklich und zufrieden.