Auch 2011 wurde wieder die Rückkehr der berühmten Pharaonin nach Kairo gefordert. Exklusiv im Abendblatt sie über ihre Vorlieben.

Berlin. Mehr als 1,1 Millionen Menschen haben im Jahr 2010 in Berlin das Neue Museum besucht, dessen spektakulärstes und beliebtestes Ausstellungsstück die Büste der Nofretete ist. Die Zahlen für 2011 liegen noch nicht vor, dürften aber kaum geringer ausfallen. Unmittelbar vor Beginn des Arabischen Frühlings hatte Zahi Hawass, der damalige Chef der ägyptischen Antikenverwaltung, erneut die Rückgabe des 1912 bei Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft entdeckten Kunstwerks gefordert. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz lehnt das aber ab. Wir hatten noch kurz vor Jahresende die einzigartige Gelegenheit zu einer Privataudienz im Neuen Museum, bei der wir die Betroffene selbst nach ihren Ansichten fragten.

Abendblatt:Haben Sie Heimweh, Herrin der Beiden Länder?

Nofretete: Sie müssen mich nicht mit meinem offiziellen Titel ansprechen, nennen Sie mich einfach Madame.

Madame, haben Sie Sehnsucht nach Kairo?

Nofretete: Wieso nach Kairo? Ich habe mit meinem Gatten Echnaton in Achet-Aton, dem heutigen Tell al-Amarna in Mittelägypten gelebt. An Kairo war damals noch gar nicht zu denken.

Aber Sie sind doch Ägypterin.

Nofretete: Isch bin ain Börlinner. Aber Scherz beiseite: Ich bin natürlich noch das, was ich immer war, eine ägyptische Herrscherin, auch wenn ich schon lange nicht mehr herrsche.

Seit fast 100 Jahren residieren Sie in Berlin, fühlen Sie sich hier wohl?

Nofretete: Glauben Sie mir, ich habe in Deutschland einiges mitgemacht. Während des Zweiten Weltkriegs schwebte ich mehrfach in Lebensgefahr, man hat mich in Bunker und Bergwerksstollen verfrachtet, weiß Gott keine angemessene Umgebung für eine Pharaonin.

Aber jetzt residieren Sie doch standesgemäß.

Nofretete: Ich habe mich auch nie beschwert. Ich finde ja manches, was der Architekt David Chipperfield mit dem Neuen Museum angestellt hat, ein bisschen merkwürdig, aber mein Raum gefällt mir ausgesprochen gut.

Wie wäre es mit dem Ägyptischen Museum in Kairo?

Nofretete: Ich soll in den alten Kasten, der schon jetzt aus allen Nähten platzt, um Gottes willen. Da geht es mir hier eindeutig besser.

Aber in Gizeh soll doch ein moderner Neubau entstehen, in dem schon ein Saal für Sie reserviert ist.

Nofretete: Bis jetzt ist da nicht viel entstanden, und ob ich die Fertigstellung noch erleben werde, darauf würde ich auch nicht wetten

Was halten Sie von Zahi Hawass, der immer wieder Ihre Rückkehr nach Ägypten gefordert hat?

Nofretete: Er hat mich mehrfach in Berlin besucht. Seinen Hut fand ich albern, und seinen begehrlichen Blick mochte ich noch weniger. Impertinent, so blickt man eine Königin nicht an.

Darf ich Sie etwas Indiskretes fragen?

Nofretete: Das tun Sie doch schon die ganze Zeit.

Madame, was ist mit Ihrem linken Auge passiert?

Nofretete: Ich weiß, dass sich die Gelehrten seit Jahrzehnten darüber streiten. Und dabei soll es auch bleiben, ich werde mich dazu definitiv nicht äußern.

Nun gut, dann eben nicht. Wie beurteilen Sie die ägyptische Revolution?

Nofretete: Als Pharaonin halte ich zwar grundsätzlich nichts von Volksaufständen. Trotzdem hatte ich merkwürdigerweise Sympathien mit den jungen Leuten vom Tahrir-Platz. Und ich finde es gut, dass Mubarak gestürzt worden ist, der hatte einfach kein Format.

Auch Zahi Hawass hat sein Amt als Chef der Antikenverwaltung und als Minister verloren.

Nofretete: Von mir aus, ich habe kein Problem damit. Hawass versteht zwar etwas von meiner Kultur, aber er führte sich so auf, als sei er selbst ein kleiner Pharao.

Nicht nur Hawass hat Ihre Rückkehr gefordert, seine Nachfolger werden das gewiss auch tun. Sind Ihre Tage in Berlin gezählt?

Nofretete: Das glaube ich nicht, aber mich wird man natürlich wieder mal nicht fragen. Übrigens wollte mich schon der Nazi Hermann Göring nach Ägypten zurückbringen. Bekanntlich ist nichts daraus geworden.

Hawass behauptet, ein deutscher Archäologe habe Sie 1913 durch Täuschung und Verschleierung aus Ägypten herausgeschmuggelt. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz behauptet dagegen, dass damals alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Wie haben Sie das damals erlebt?

Nofretete: Glauben Sie ernsthaft, dass ich damals erfahren habe, was da gespielt wurde. Ich lag mehr als 3000 Jahre im Wüstensand, wurde dann in eine Kiste verfrachtet, war schmutzig und völlig derangiert. Mein Gott, wie sollte ich da mitbekommen, was zwischen dem ägyptischen Antikendienst und den deutschen Ausgräbern verhandelt wurde?

Haben Sie schlechte Laune, Madame?

Nofretete: Keineswegs, ich sehe nur nicht ein, warum ich mich dafür rechtfertigen soll, dass ich mich in Berlin wohl fühle. Schließlich bin ich nicht die einzige Ausländerin, die in Deutschland heimisch geworden ist.

Aber stellen Sie sich mal vor, die Lage in Ihrer alten Heimat stabilisiert sich und das Museum in Gizeh wird irgendwann doch mal fertig gebaut. Würden Sie dann nicht wenigstens mal besuchsweise nach Kairo fahren, vielleicht zur Einweihung? Ihre Landsleute würden sich sicher freuen und Ihnen einen triumphalen Empfang bereiten.

Nofretete: Klar würden die das. Zu Recht! Und wahrscheinlich würde ich unter diesen Umständen sogar ganz gern mal wieder nach Ägypten fahren. Schon um meinem angeblichen Sohn Tutanchamun die Show zu stehlen. Wetten, dass die alle Schlange stehen würden, um mich zu sehen - und nicht ständig den ganzen goldenen Plunder aus Tutanchamuns Grab?