Kurz nach der Hochzeit war meine Frau oft am Fenster und sah nach draußen. Fragte ich sie, was sie da mache, entgegnete sie anfangs, sie würde hinaussehen, weil sie Malerin werden wolle, und sie wolle nun erst einmal die Jahreszeiten in sich aufnehmen, denn sie beabsichtige als erstes Werk ein Triptychon, allerdings aus vier Teilen, zu malen, ein Viertychon.

Aha, sagte ich, es schien mir die beste Antwort.

Auch nachts stand sie da, und ich glaube, gerade nachts, denn wann immer ich erwachte, sah ich ihre dunkle Silhouette, die sich vor dem hellen Himmel Hamburgs abzeichnete. Sie sagte, sie wolle mit einem Nachtzyklus beginnen.

Aha, sagte ich wieder und erinnerte mich all der Gründe, weswegen wir geheiratet hatten. Schließlich gab sie zu, sie habe gelogen, in Wahrheit warte sie auf ein Wunder. Ein Wunder?

Sie nickte. Heutzutage gebe es ja kaum noch Wunder. Strom, Sport und Silikon, ja, aber Wunder? Sie habe geglaubt, mit der Ehe komme auch ein Wunder, doch nichts.

Was für ein Wunder? Ein Gefühl oder ein Himmelsleuchten?

Ich stand auf und sah mit ihr nach draußen, und dann geschah es: Stille, in der ein schwitzender Schimmel vor unser Haus trabte, wieherte. Dann schrie er: Sven! Immer wieder, bis ich nach unten ging, wo das Pferd mich packte und mit mir davonritt. Das Letzte, was ich sah, war, wie sie mich glücklich ansah. Ein Wunder, formten ihre Lippen tonlos.

Es gibt wirklich kaum noch Wunder. In den letzten 50 Jahren kommen wir auf acht Wunder, sechs davon stellt man derzeit in den Deichtorhallen aus. Dort finden wir den Frosch, der vom Himmel gefallen ist. Gelbes Wasser, eine Wurst mit Gesicht sowie eine Kassette mit Rauschen, zwischen dem man Elvis "You're Beautiful" singen hören kann.

Ich hoffe, das nächste Jahr wird für uns alle ein Wunder. Kein blaues. Guten Rutsch!