Sergej Moya hat 2011 seinen Film “Hotel Desire“ über Spenden im Internet finanziert - als erster deutscher Regisseur. Eine persönliche Bilanz.

"Wir haben von Anfang an ausgeschlossen, mit ,Hotel Desire' den konventionellen Finanzierungsweg zu gehen, da uns klar war, dass wir keine Redaktion oder Filmförderung dazu bewegen könnten, ein Projekt wie ,Hotel Desire' so zu realisieren, wie wir es uns vorgestellt hatten. Ein mit Kitsch und Clichés spielendes, modernes, vor allem erotisches Märchen von 40 Minuten Länge. Daher entschieden wir uns für "Crowdfunding": Ein alternativer und in Deutschland noch nicht etablierter Weg der Finanzierung jeglicher Vorhaben, vor allem über das Internet. Das Prinzip ist schnell erklärt: Viele "kleine Fische" (Internetnutzer) verbinden sich zu einem großen Schwarm und ermöglichen durch überschaubare Beträge die Realisierung eines Projektes.

Man kann nicht von Spenden im karitativen Sinne sprechen, sondern eher von Vertrauensvorschüssen für die Macher. So erhalten beim Crowdfunding die Unterstützer Gegenwerte. In unserem Falle waren das Streaming-Gutscheine für den fertigen Film, von den Schauspielern handsignierte DVDs oder Drehbücher. Je höher die finanzielle Gabe, desto größer der zugesprochene Gegenwert, bis hin zu einer prozentualen Gewinnbeteiligung.

Auf den ersten Blick ist Crowdfunding ein durchaus sinnvoller Weg, um seine Inhalte unabhängig umsetzen zu können. Und natürlich ist es spannend, das potenzielle Publikum in den Entstehungsprozess mit einzubeziehen, sodass man als Zuschauer das Gefühl bekommt, von Anfang an dabei gewesen zu sein. Crowdfunding ist gelebte Basisdemokratie. Man stellt sich hin, trägt sein Anliegen vor, und die Masse des Internets bestimmt, ob Daumen hoch oder Daumen runter.

Und genau hier liegt der Haken. Crowdfunding, zu Deutsch Schwarmfinanzierung, setzt voraus, dass es einem gelingt, einen Schwarm um sich zu bilden. Was sich alles andere als leicht darstellt. Das Internet ist weniger ein Kulturkaufhaus, in dem der interessierte Nutzer Pfeife rauchend nach spannenden Inhalten sucht, sondern vielmehr ein digitales Las Vegas, in dem die Devise gilt: Je lauter und bunter die Fassade glitzert, desto mehr Menschen strömen in Richtung des Lichts. So haben wir, um die vielen "kleinen Fische" zu einem großen Schwarm um uns zu scharen, viel Lärm gemacht und reichlich mit verbalem Konfetti um uns geschmissen. Ein 23-jähriger Regisseur (ich), der von sich behauptet, einen "porNEOgrafischen" Film drehen zu wollen. Natürlich hätte ich am liebsten so wenig wie möglich daherschwadroniert, nur säße ich dann noch immer in der verregneten Fußgängerzone des WWW, mit ein paar Groschen im Hut.

Schaffst du es, diese Aufmerksamkeit zu generieren, dann wirst du auch mit derselben Aufmerksamkeit für dein Tun beurteilt. Und man wird dir zu Recht all die Versprechen, die du gemacht hast, vorhalten, und man wird dein Projekt niemals losgelöst von deinem Gefasel im Vorfeld beurteilen. Unser Glück war es, dass sich die Presse interessiert zeigte an dem Thema des Crowdfunding, zumal in Verbindung mit unserem "kessen" Versuch - dem "Kunstporno" mit wunderbaren Schauspielern. Ich wage zu bezweifeln, dass sich ohne mediale Aufmerksamkeit 500 000 Nutzer auf unserer Seite getummelt hätten und die Server aufgrund des großen Interesses zusammengebrochen wären.

Wobei ja Aufmerksamkeit nicht gleich Zuspruch heißt! Hier ein hinreißender Kommentar, den der Chor der Skeptiker uns entgegenpreschte ("Spiegel Online"-User): "Wenn man diesen Menschen Geld gibt, ist es so, als würde man Josef Ackermann Geld geben, damit er sich noch ein Ölbild in sein Büro hängen kann!" Ich kann leider nicht behaupten, dass mein Portemonnaie und das von Herrn Ackermann irgendetwas gemeinsam haben. Zur Herstellung unseres knapp 40-minütigen Films benötigten wir 170 000 Euro. Ein knapp berechnetes Budget, wenn man bedenkt, dass ein Tatort von 90 Minuten zwischen 1,2 und 1,3 Millionen Euro kostet. Ich denke, Crowdfunding ist, wenn überhaupt, ein zukünftiges Werkzeug für den jungen und vielleicht auch unangepassteren Film, für aneckende gesellschaftliche Themen.

Crowdfunding spricht die Sprache unserer Zeit, da es die "Obigen" nicht mehr allein entscheiden lässt. Die kulturelle Antwort des Internets auf die Sehnsucht der Menschen nach mehr Mitspracherecht. Allerdings: Eine zu früh erzählte Pointe ruiniert jeden Witz. So in etwa fühlt sich meine Crowdfunding-Erfahrung an. Denn man muss die Pointe vor dem Witz erzählen, um ihn finanziert zu kriegen ...