Das Museum für Kunst und Gewerbe widmet dem Modedesigner Alexander McQueen eine Retrospektive

MKG. Es gibt Kleider, die sind nicht mehr als ein Stück Vergänglichkeit aus Stoff. Für kurze Zeit machen sie Trägerin und Betrachter glücklich, um anschließend in der Belanglosigkeit zu verschwinden. Und es gibt Kleider, die mit der Trägerin verschmelzen, die in Erinnerung bleiben. Solche Kleider entwarf der britische Designer Alexander McQueen. Seit er sich im Februar 2010 das Leben nahm, klafft eine Lücke in der Modewelt. Denn Alexander McQueen war ein Visionär, der aus Frauen überirdische Wesen zauberte. Avantgarde, ein abgenutztes Wort, und doch wie für McQueen erfunden.

Das Museum für Kunst und Gewerbe widmet Alexander McQueen ab heute eine kleine Retrospektive. Insgesamt 30 Entwürfe aus seiner Karriere hat das Museum zusammengetragen, darunter auch Stücke aus seiner Zeit als Chefdesigner beim Pariser Couturelabel Givenchy von 1997 bis 2001. Unter den gesammelten Entwürfen befinden sich auch drei Teile aus der letzten, unvollendeten Kollektion McQueens, inoffiziell "Angels and Demons" getauft. Sie wurde posthum in Paris gezeigt und war danach in der riesigen Retrospektive "Alexander McQueen - Savage Beauty" in New York zu sehen. Die drei Ent-würfe zieren sakrale Motive, eine wiederkehrende Inspirationsquelle für McQueen. Es war das Spiel mit den Gegensätzen, das ihn reizte: Himmel und Hölle, Engel und Dämonen, Licht und Dunkelheit stellt er mit Selbstverständlichkeit nebeneinander, für den Designer waren sie gleichwertige Teile der menschlichen Psyche. McQueen war wie ein Schwamm, der Inspiration aus den verschiedensten Winkeln zog: Kunst, Natur, Evolutionsgeschichte und seine schottischen Wurzeln sind die Themen, die sich in den meisten seiner Kollektionen finden.

Karrieretechnisch gesehen war McQueen ein Glückskind, sein Talent blieb nicht lange unentdeckt. Denn bei allem künstlerischen Anspruch vergaß Alexander McQueen nie, dass Mode auch ein Handwerk ist. Wer nichts mit der Aussage von McQueens Kollektionen anfangen konnte, musste wenigstens anerkennen, dass er ein begnadeter Schneider war. Seinem handwerklichen Können und seinem Gespür für die richtigen Schnitte ist es zu verdanken, dass seine Kleider bei all dem Prunk nicht wie historische Kostüme aussehen, sondern immer zeitgemäß. Programmiert war seine Karriere allerdings nicht. McQueen wurde 1969 in London als jüngstes von sechs Kindern geboren, sein Vater war Taxifahrer, seine Mutter Lehrerin. Sie war die wichtigste Bezugsperson für Alexander McQueen. Als Teenager begann er Kleider für seine drei Schwestern zu nähen, was ihm so viel Spaß machte, dass er auf den Geschmack kam, Designer zu werden. Seine Lehrmeister fand er in der Londoner Savile Row, dem wohl bekanntesten Anlaufpunkt für Herrenausstatter. Bei den Maßateliers Gieves & Hawkes und Anderson & Sheppard lernte er das traditionelle Schneiderhandwerk. Seine Vorliebe, am liebsten am Model oder an der Schneiderpuppe zu arbeiten, direkt am Körper zuzuschneiden und zu drapieren, eignete er sich während seiner Lehrjahre an. McQueen verstand es, nicht nur Schnitte zu konstruieren, er konnte sie ebenso gut wieder in ihre Einzelteile zerlegen und zu etwas komplett Neuem zusammenfügen.

Seine Karriere als Designer begann am Tag seines Abschlusses auf dem Central Saint Martins College, einer der renommiertesten Hochschulen für angehende Designer in London, auf der auch Stella McCartney oder John Galliano studiert haben. Die Stylistin Isabella Blow war so beeindruckt vom Talent McQueens, dass sie seine gesamte Abschlusskollektion für 5000 Pfund aufkaufte und ihn zu ihrem Protegé erklärte. Sie war Muse, Lehrmeisterin und eine der engsten Freundinnen Alexander McQueens. Und sie war manisch-depressiv. 2007 nahm sich Blow das Leben, indem sie eine Flasche Unkrautvernichter trank. Nach ihrem Tod wurde McQueen schwer depressiv, verkraftete den Verlust nie. Halt fand er bei seiner Mutter. Als diese im Februar 2010 an Krebs starb, nahm sich McQueen eine Woche später das Leben und erhängte sich in seiner Wohnung.

Sosehr er in der Öffentlichkeit das Spiel mit der Provokation verstand, der als "Bad Boy" der Modeszene tituliert wurde, so zurückgezogen lebte er als Privatperson. Auch McQueen hatte zwei Seiten, sein Alter Ego, das Enfant Terrible, das "die Leute zwingen muss, sich die Dinge genau anzusehen". Das pompöse Shows veranstaltete, es auf dem Laufsteg regnen, schneien oder stürmen ließ. Und es gab den privaten Alexander McQueen, der wenige ausgewählte Freunde hatte, der von Verlustängsten und später von Depressionen geplagt war.

In Erinnerung bleibt McQueen, der geniale Designer. Das hat er auch seiner Nachfolgerin Sarah Burton zu verdanken, eine jener ausgewählten Freundinnen, die jahrelang an seiner Seite arbeiteten. Sie führt das Label Alexander McQueen im Sinne des Erfinders weiter. Den ersten kleinen Skandal kann sie schon jetzt auf ihrem Konto verbuchen: die Entdeckung von Pippa Middletons Hintern.

Alexander McQueen. Inspirations 23.12.11 - 6.5.12, Museum für Kunst und Gewerbe (S Hauptbahnhof), Steintorplatz, Di-So 11.00- 18.00, Do 11.00-21.00, Eintritt 8 Euro