Beim Soul Allnighter im Waagenbau wird bis in den frühen Morgen hinein getanzt.

"Soul ist die beste Musik, die reinste Ausdrucksform menschlicher Emotionen. Und wenn sich nach der Lektüre dieses Heftes auch nur ein Leser bemüßigt fühlt, [...] zu einer Soul-Veranstaltung zu gehen, dann hat sich für uns die Arbeit schon gelohnt", schrieben die Herausgeber des leider kurzlebigen Fanzines "Heart & Soul" im Editorial ihrer dritten Ausgabe. Das war Anfang der 90er und speziell Northern Soul erlebte gerade mal wieder eine Hochphase. Nicht nur in Großbritannien wurde nächtelang zu raren Singles, die in Kleinstauflage auf obskuren Labels erschienen waren, getanzt. Auch Deutschland genoss eine echte Rare- und Northern-Soul-Blüte mit Allnightern von Hamburg bis München, von Köln bis Berlin.

Eine herrliche Zeit, in der zwar legendären Klubs wie dem Casino in Wigan oder dem Twisted Wheel in Manchester nachgetrauert, zugleich aber auch selbst Soul-Geschichte geschrieben wurde. "Stellt euch vor: Allnighter 4 Uhr morgens, stundenlang getanzt, keine Pillen mehr, ihr seid total erschöpft, die DJs hauen euch eine Stomper nach dem anderen um die Ohren, aber ihr könnt einfach nicht aufhören zu tanzen", beschrieben die "Heart & Soul"-Autoren ein typisches Szenario.

Die gute alte Zeit? Vergangenheitsbewältigung? O nein, denn Soul Allnighter gibt es immer noch, und speziell an der euphorisierenden Hamburger Weihnachtsausgabe dieses Seele-wärmenden Happenings gibt es auch 2011 kein Vorbeikommen.

Mal wieder haben Leif Nüske und Olaf Ott aka The Fab Boy Two ihre riesigen Sammlungen durchforstet und all das in die Plattenkoffer gepackt, was die Tanzfläche füllt und das zu dieser Jahreszeit eh schon weite Herz noch weiter öffnet. Gewiss darf mit Songs von Größen wie Isaac Hayes, Curtis Mayfield oder Bobby Womack gerechnet werden, aber ebenso gewiss werden beim Soul Allnighter im Waagenbau auch jene perfekt bedient, die immer auf der Suche nach Raritäten sind, nach bislang nicht Gehörtem. Nach in simple Lockcover-Hüllen verpackten Singles, die eben nicht bei Motown, Stax oder Chess erschienen sind, sondern bei Ric-Tic, Charm City oder Vee-Jay Records. "Die Herren Nüske und Ott sind für Soul-Wunder und für eine weitere Episode dieser unendlichen hanseatischen Weihnachtsgeschichte gerüstet" hängen die Veranstalter die Latten für diese Flucht aus dem "heimischen Festtagswahn" einigermaßen hoch.

Wird Bobby Thurston "I Want Your Body" seufzen? Wünscht sich Darrell Banks "Open The Door To Your Heart"? Fordern The Tames "Be Young. Be Foolish. Be Happy"? Was auch immer in dieser Nacht auf den Plattenteller kommt, es wird den Sounds gehören, die Northern-Soul-Original Reg Stickings ein Leben lang begleitet haben. In seinem Buch "Searching For Soul" beschreibt er das Hauptproblem alle Rare-Groove-Süchtigen, die das Wochenende durchtanzen und am Montagmorgen direkt aus dem Lieblingsklub zur Arbeit traben: "Wir fragten uns, was wir nur tun sollten, um die Zeit bis zum nächsten Wochenende zu überstehen und nicht allzu sehr unter Entzugssymptomen zu leiden."

In der Tat schwierig. Andererseits: Jetzt heißt es erst mal feiern. Der nächste Allnighter kommt bestimmt und für ganz schwere Zeiten gibt es ja immer noch die wunderbare laut-fm-Seite des hiesigen DJ-Duos ( www.laut.fm/soulallnighter ), die jeden Anflug von nachnächtlichem Trübsinn mit jeder Menge 1-a-Soul hinwegbläst. Wer da auch nur einmal Idris Muhammads "I'm A Believer" (gesungen von seiner Frau Sakinah) hört, kommt über jeden nasskalten Winter.

Soul Allnighter 25.12., 22.00, Waagenbau (Bus 15), Max-Brauer-Allee 204, Eintritt: 9,-; Internet: www.soul-brother.com