Die Staatsoper zeigt mit der Wiederaufnahme von Peter Konwitschnys “Don Carlos“-Inszenierung ein Highlight

Staatsoper. Etwas mehr als zehn Jahre sind seit der Premiere von Peter Konwitschnys Inszenierung des "Don Carlos" von Giuseppe Verdi vergangen. Die Anschläge des 11. September 2001 lagen erst wenige Wochen zurück, der Regierungswechsel in Hamburg brachte Ole von Beust an die Macht und mit ihm den Amtsrichter Ronald Barnabas Schill - und am 4. November stellte Peter Konwitschny, das Provokateursgenie der Opernbühne, seine mit dem damaligen Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher entwickelte Lesart erstmals dem Publikum vor. Es gab tumultartige Szenen im Parkett.

Die üblicherweise für Sektglasgeklingel und Smalltalk der Upperclass vorgesehene erste Pause nutzte Konwitschny für ein inszeniertes Happening. An den Ausgängen bekamen die Besucher Handzettel, auf denen zu lesen stand: "Zur heutigen Vorstellung wird König Philipp II. persönlich in der Staatsoper erscheinen, um an dem großen Autodafé teilzunehmen, das wir exklusiv für Sie arrangiert haben." Nach der Pause wurden bei Saallicht erst rudelweise Ketzer durchs Parkett getrieben, anschließend schritt, umringt von einer Pressemeute, Philipp II. mit seiner dem Sohn Carlos weggeschnappten Gemahlin Elisabeth zur Bühne. Dort nahm sie der als Premierenpublikum kostümierte Chor in Empfang. Und das den Konventionen der Entstehungszeit gehorchende Ballett-Intermezzo inszenierte Konwitschny unter dem Titel "Ebolis Traum" im 50er-Jahre-Dekor als brüllkomische, idyllische Quartett-Kleinbürgerhölle à la Marthaler.

Soll man traurig darüber sein, dass diese rasch zum Liebhaberstück avancierte Inszenierung niemanden mehr aufregt? Belustigt, bisweilen sogar beinahe ehrfürchtig ließ das Publikum am vergangenen Sonntag bei der Premiere der Wiederaufnahme das Allotria im Namen Verdis an sich vorüberziehen. Alexander Joel jedenfalls, der die Philharmoniker im Graben zu einer klangschönen, differenzierten und hoch konzentrierten Leistung trieb, zeigte sich von der Abwesenheit jedes Buhrufes überrascht. Der Gastdirigent, derzeit Generalmusikdirektor in Braunschweig, steht auch Donnerstag und bei den Vorstellungen im Januar am Pult.

Fünf Stunden Aufführungsdauer inklusive zweier Pausen: Das verlangt Sitzfleisch und Stehvermögen. Aber die Musik ist großartig, und geistreicher Klamauk und angewandte Gesellschaftskritik bilden nur die Schaumkronen dieser Woge von einer Inszenierung, die auf musikalisch begründete und psychologisch plausible Personenregie setzt. Johannes Leyackers Einheitsbühnenbild, ein gruselig hoher Raum mit 17 Türen, durch die jeder nur tief geduckt hindurchkommt, bietet dem Auge wenig Abwechslung, beschäftigt den Geist dafür umso nachhaltiger.

Die Sänger machen ihre Sache ausgezeichnet. Andrew Richards musste als Titelheld am Sonntag auf halber Strecke aufgeben und wird seitdem höchst adäquat von Jean-Pierre Furlan ersetzt. Iano Tamar als Elisabeth hat Würde, Stil und ein sonnenwarmes Timbre. Nadja Michael, Einspringerin in beinahe letzter Minute, hat sich widerstrebend, aber mit verblüffend überzeugendem Ergebnis die alte, eigentlich definitiv abgestreift geglaubte Rolle der Eboli noch einmal angezogen und hält mit ihrem manchmal gellenden Intrigantinnensopran nicht nur die unglücklich Liebenden in Atem. Tigran Martirossian als Philipp II. und Tuncay Kurtoglu als Großinquisitor wetteifern auf sehr hohem Niveau um den schöneren Bass. Auch Rodion Pogossov singt sich als allzeit loyaler Freund Flanderns in die Herzen des Publikums.

Don Carlos Do 22.12. 17.00 Staatsoper Hamburg (U Stephansplatz) Große Theaterstraße 25, Tickets zu 4,- bis 79,- unter T. 35 68 68