Josephin Böttgers Video- und Soundinstallation “Rubato“ entführt den Zuschauer in luftige Höhen über Hamburg

Projekthaus. In luftige Höhen, weit über die Dächer Berlins und Hamburgs, entführt die Künstlerin Josephin Böttger ihr Publikum mit ihrer neuen Installation im Projekthaus in Altona. Schwindelfreiheit ist dabei keine Voraussetzung. Nur Zeit sollte man mitbringen, um der poetischen Video- und Soundinstallation der 46-jährigen Künstlerin, die in Hamburg lebt und arbeitet, zuzusehen und zuzuhören.

Es ist ein Blick wie im legendären Foto von Charles Nègre - in dem bewacht und beobachtet ein dämonischer Wasserspeier das Paris des 19. Jahrhunderts von den Türmen der Kathedrale Notre Dame. Hier aber, in den Videoloops von Josephin Böttger, haben Freunde der Künstlerin die Vogelperspektive auf Hamburg und Berlin eingenommen. Mit einem mutigen Sprung ins Bild landen sie auf Hochhäusern der beiden deutschen Metropolen. Zielstrebig, mehr neugierig als ängstlich blicken sie in die Ferne, nach unten, inspizieren den neu gewonnenen Standpunkt, als hätten sie mit ihm auch ein Stück Freiheit erobert.

Die Höhe und die Weite des Überblicks entbinden sie von den alltäglichen Sorgen. Ganz im Gegensatz zum "Boden der Tatsachen", dem Mittendrin im urbanen Geschehen, wo Josephin Böttgers Protagonisten hin und wieder auch landen. Unsicher im Stand oder mit beiden Händen an einer Stange hängend wirken sie wie verloren, hilflos und kurz vor dem Fall in die Hektik des Verkehrs.

"Rubato", so der Titel der Video- und Soundinstallation, ist ebenso eine Hommage an die Nacht wie an den fließenden und leuchtenden Verkehr einer Großstadt. Insgesamt vier Projektionen zeigen unterschiedliche Perspektiven auf den nächtlichen Verkehr. Im musikalischen "Rubato", dem Verlangsamen wie Verkürzen der Tempi, bewegt er sich zwischen Be- und Entschleunigung. Manchmal setzt die Dämmerung ein. Schnell jedoch wird es wieder dunkel, damit man sich im Schutz der Nacht wieder ganz dem Fluss der strahlenden Lichter hingeben kann. Gleichzeitig verwandelt sich die Nacht in eine Metapher für das dem Tag abgewandte Schaffen und Schöpfen.

In die größte der vier Projektionen mit Blick auf den Potsdamer Platz in Berlin zeichnete Josephin Böttger eigene Verkehrsflüsse. Orange leuchtende Lichtspuren keimen auf und verzweigen sich, kastenförmige Fahrzeuge nehmen Kurs in alle Himmelsrichtungen.

Nach ihrer letzten Produktion, "Trapez", die Josephin Böttger in Anspielung auf die zahlreichen Bauaktivitäten in St. Pauli dem unaufhörlichen, manchmal paradoxen Tatendrang des Menschen zwischen Destruktion und Wiederaufbau widmete, legt "Rubato" ein weiteres Wirken im Menschen frei. Ein ambivalentes Schaffen, ein nächtliches Atemholen, ein wortwörtliches Sich-Erheben in die Dunkelheit, das am Rand der Dächer immer auch den Absturz miteinbezieht. Einbezogen sind darin ebenso zahlreiche Zitate aus der Filmgeschichte, die den Menschen thronend über seiner eigenen Schöpfung schon immer auf der Klippe zwischen Sein und Nichtsein thematisierten. In einer langen und langsam sich verändernden Monotonie ertönt dazu das Eigengeräusch des Raumes, aufgenommen und intoniert vom Ensemble Nelly Boyd.

Live tritt die dreiköpfige Gruppe an diesem Sonnabend ab 21 Uhr auf. Mit akustischen Instrumenten, die von einem einzigen Ton ausgehend die Zeit mit Obertönen, Klang- und Rhythmuswechseln in ihrer eindimensionalen Linearität aufbrechen.

Josephin Böttger - Rubato eine Video- und Soundinstallation, zusammen mit dem Hamburger Ensemble Nelly Boyd, Projekthaus, U.FO Kunstraum (Metrobus 3), Bahrenfelder Str. 322, bis 18.12., täglich 19.00-23.00, Live-Konzert am 17. 12., ab 21.00, T. 511 34 26; www.projekthaus-hh.de , www.josephinboettger.de