Sorj Chalandon heißt ein neu zu entdeckender französischer Autor. Er wurde 1952 in Tunis geboren, arbeitet als Journalist und schreibt ausgezeichnete Romane wie: "Die Legende unserer Väter". Auffällig an seiner Sprache ist eine eigentümliche Ruhe und Kraft, die sie ausstrahlt.

Die Hauptfigur ist Marcel Frémaux. Er hat sich spezialisiert auf das Schreiben von Lebensgeschichten. Er verliebt sich in die schöne Lulupine, die möchte, dass er die Geschichte ihres Vaters aufzeichnet. Dieser hatte seiner Tochter von seiner Zeit als Widerstandskämpfer erzählt - als Fabel über das Heldentum.

Frémaux hat bei seinen Gesprächen mit Tescelin Beuzaboc, der zögerlich in das Projekt einwilligt, immer wieder ein ungutes Gefühl. Die Interviews werden zu Verhören. Beuzaboc ist störrisch, er erzählt viel und verschweigt noch mehr. Frémaux scheut sich, den würdigen alten Mann zu verletzen, aber sein Text fühlt sich für ihn falsch an. Auch Beuzaboc selbst ist unzufrieden: "Wenn ich lese, was Sie geschrieben haben, habe ich das Gefühl, meine Stimme zu hören. Und ich mag meine Stimme nicht." Beuzaboc wird zum Schluss selbst derjenige sein, der die Geschichten ungeschönt erzählt. Das ist ungeheuer bewegend. Und schon wieder hat man einen Roman über Lügen in Zeiten des Krieges gelesen. Aber es geht wohl nicht anders. Wir verstehen uns sonst nicht.

Sorj Chalandon: "Die Legende unserer Väter". A. d. Französischen von Brigitte Große. Deutscher Taschenbuch Verlag, 198 Seiten, 14,90 Euro