Ina Müller füllt Arenen wie andere Wohnzimmer

Zwei ausverkaufte Konzerte in der Hamburger O2 World, das ergibt addiert 25 000 Zuschauer und entspricht der gesamten Bevölkerung von Reinbek oder Bad Oldesloe. Es gibt nicht viele internationale Künstler, die einen solchen Run auf Eintrittskarten auslösen. Pink-Floyd-Bassist Roger Waters hat das in diesem Jahr mit seinem gigantischen Rock-Spektakel "The Wall" geschafft. Und Ina Müller. Waters' epochales Werk konnte man 30 Jahre nach der Premiere noch ein einziges Mal exklusiv auf der Bühne erleben, Ina Müller steht dort gefühlt ständig. Stadtpark, Arena, Stadtpark und wieder Arena. Und das wird sicher - ähnlich wie bei Lotto King Karl - über Jahre weitergehen. Mit Fan-Begeisterung allein lässt sich der phänomenale Erfolg der singenden Bauerntochter nicht erklären.

Ina Müller schafft in ihren Konzerten eine heimelige Atmosphäre wie im Weihnachtsgottesdienst. Man kennt sich, man fühlt sich wohl und in der Masse aufgehoben. Die Rituale laufen nach dem gleichen Muster ab. Ebenso wie die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium mit Sicherheit gelesen wird, pickt sich Ina Müller zu Beginn ihrer Show einen männlichen Zuschauer aus der ersten Reihe und macht sich auf seine Kosten lustig. Auch andere Pointen kennen viele im Auditorium aus früheren Auftritten, gelacht wird dennoch. Man sehnt diese bekannten Döntjes geradezu herbei und freut sich dann über den Schlussgag. Natürlich ändert Ina Müller ihr Programm und baut neue Geschichtchen ein, doch wer sie zehnmal oder noch öfter erlebt hat, wird nicht nach Überraschungen gieren. Die Vertrautheit ist ein wesentliches Element der Komfortzone, die sie für ihr Publikum errichtet.

Die Basis ihrer Geschichten und Lieder ist das Ländliche. Aufgewachsen in Köhlen, einem Kuhdorf im südlichen Landkreis Cuxhaven mit aktuell 934 Einwohnern, steht die ehemalige pharmazeutisch-technische Assistentin für eine unglamouröse Normalität, die sie mit großen Teilen ihres Publikums verbindet. Natürlich ist sie inzwischen zu einer prominenten Person mit eigener Fernsehshow geworden, doch ein Star will sie nicht sein. Ihre Sprache ist direkt und unverblümt, oft zotig, immer wieder benutzt sie plattdeutsche Ausdrücke und dokumentiert damit die nie abgerissene Verbindung zu ihren Wurzeln. Sie macht sich lustig über das Leben "op'n Buurnhoff", doch es ist ein selbstironischer Umgang mit der eigenen Familiengeschichte. Das Dorfleben verklärt sie nicht, hinter aller Komik werden auch eine Menge Entbehrungen sichtbar.

Es gibt kaum einen Künstler, dessen Songs und Geschichten so sehr aus dem Privaten stammen wie bei Ina Müller. Neben dem Dörflichen ist es weibliche Selbstreflexion der Generation Ü40. Ina Müller verkörpert eine selbstbewusste Frau, die über sich selbst lachen kann, aber noch viel mehr über die Männer, die ihr im Alltag begegnen. Ihre weiblichen Fans erkennen sich in diesen entwaffnenden Beschreibungen wieder und ihre männlichen hoffen, dass sie damit nicht gemeint sind. Müllers Vermischung des Privaten mit dem Öffentlichen geht so weit, dass sie ihren Geburtstag am 25. Juli ein paar Jahre lang mit 5000 Fans auf der Open-Air-Bühne im Stadtpark gefeiert hat. Wo andere sich an einem solchen Tag aus der Öffentlichkeit zurückziehen, geht Müller gerade raus. Party und Spaß mit ihren Fans, das entspricht genau ihrer Mentalität.

Wenn sie am 15. und 16. Dezember auf die Bühne der O2 World kommt, bedeutet das für die Wahl-Hamburgerin ein Heimspiel. Ina Müller schafft es, diese riesige Arena in ein Wohnzimmer zu verwandeln. Das muss ihr erst mal jemand nachmachen.

Ina Müller 15./16.12., 20.00, O2 World (S Stellingen + Bus 380); Sylvesterallee 2, Restkarten ab 33,40 für 15.12.; www.inamueller.de