Geza Claus betreibt einen der größten Requisitenverleihe in Norddeutschland. Ihre Kunden kommen aus Film, Fernsehen und Theater.

Hamburg. Eine verrostete Ente mit Rädern. Ein Pferd, bei dem die Farbe abblättert. Dinge, die für den preisgekrönten Film "Das weiße Band" von Regisseur Michael Haneke ausgeliehen wurden. Um das Leben kurz vor dem Ersten Weltkrieg glaubwürdig zu gestalten. Um den Zuschauer bis ins Detail in eine andere, eine ältere Zeit zu entführen. Und auch, um eine kindliche Welt zu zeigen, die vor allem eines ist: beschädigt.

Bei Geza Claus stehen das Pferd und die Ente im Regal. In einer Halle voller Regale. Umgeben von Tausenden von Dingen, die einmal eine Bedeutung hatten oder haben werden. In einem Kinofilm. Oder im Fernsehen. Im "Großstadtrevier", im "Tatort", in der "Sesamstraße", bei den "Pfefferkörnern".

Geza Claus betreibt einen der größten Requisitenverleihe im norddeutschen Raum. Das Metall ihrer Ringe reibt aneinander. Fast an jedem Finger steckt einer. Als reichten all die Regale nicht. Als müssten sie auch noch an den Händen untergebracht werden, die Dinge.

"Hier ist übrigens Raucher", sagt Claus und zieht an ihrer "Auslese Deluxe". Ihr blasses Gesicht wird von einem dunkelroten Pagenkopf gerahmt. In der Küche, die an die Halle grenzt, stehen Kristallflakons und Zinngeschirr im Neonlicht. Es gibt guten Filterkaffee. "1968 habe ich angefangen, mit Antiquitäten zu handeln", erzählt sie. "Die Filmleute kamen da automatisch." Im Laufe der Jahre habe sie sich dann immer mehr auf den Verleih spezialisiert. Über Klosterallee, Lehmweg, Lagerstraße und Stresemannstraße zog sie mit ihrer Firma Props & More vor drei Jahren an den jetzigen Standort Am Diebsteich. "Needfull Things" steht auf einem Schild an der Stahltür. Doch nicht nur die Dinge werden gebraucht, sondern auch das Wissen von Gesa Claus.

"Ich kaufe Berge von historischen Büchern", sagt sie und schaut durch ihre schmale Brille. Und wenn dann eine Produktionsfirma für einen Film, der in der Biedermeier-Ära spielt, bei ihr Cognac-Schwenker ausleihen möchte, dann müsse sie auch schon mal sagen: "Kinder, hallo, Cognac-Schwenker gab's damals noch nicht!" Und während die 68-Jährige noch resolut ihre graue Strickjacke zurechtzurrt, fragt man sich, wie viele Ausstatter am liebsten auch diese Stimme mit ausleihen würden. Ein Unikat, das - samt und sonders, rau und anders - zu einer handfesten Trümmerfrau ebenso gut passen würde wie zu einer Diva, auf Rosen gebettet. Die je nach Geschichte eine neue Bedeutung erhalten würde. Doch im Alltag, ab mittags ("vorher ist das nicht so meine Zeit"), gehört diese Stimme einer Pragmatikerin, die Herrin ist über 3500 Quadratmeter. Eine Welt, in der es nach Vergangenheit riecht. In der es ruhig ist. Und aufgeräumt.

In einer Regalreihe stapeln sich bis unter die Decke nach Farben und Stilen sortiert Gläser und Geschirr. Gelbe Linien auf dem Boden markieren den Weg, führen etwa zu Essen aus Plastik, wie Louis de Funès es für "Brust oder Keule" nicht schöner hätte erfinden können. Eierscheiben, Austern, Torten. Entlang an meterweise Tischdecken geht es zu einem Park mit Skulpturen. "Gern genommen, um herrschaftliche Villen einzurichten", erläutert Claus.

Eine Antilope auf einer Säule hat sie in einem Kaufhaus in Chicago erstanden. Nach anderen Schätzen stöbern ihr Partner Detlef Pleschke und sie auf Messen, zum Beispiel in Paris. Manche Jagdgebiete für Kosmetikdosen und Schmuck, für Möbel, Vasen und Kunstblumen, für Kameras und Instrumente, also für all den potenziell filmreifen Trödel und Tand, möchte die Chefin nicht verraten. Die Konkurrenz schläft nicht. Die Firma FTA etwa, die Filme und Theater ausstattet. Oder Axis Mundi, die in der Schanze sitzt. Bis in die Barockzeit zurück reicht die Sammlung von Geza Claus. "Im Moment", sagt sie, "wird wieder viel historisch gedreht." Das Bedürfnis nach Patina ist gut fürs Geschäft - vor allem in Zeiten, in denen die Filmbranche immer schneller tickt. "Früher wurden die Sachen im Schnitt zwei Monate ausgeliehen, heute 14 Tage", sagt die zierliche Frau und läuft resolut durch die Gänge.

Vorbei an den Pokalen, die Konrad Koch und seine Fußballpioniere dieses Jahr in dem Film "Der ganz große Traum" ergatterten. Vorbei an Koffern aus verschiedenen Jahrzehnten ("Im Film reisen sie ja ständig"). Vorbei an ausgestopften Katzen, die einen mit weit aufgerissenen Augen anschauen. Ein kurzer Horrorfilm, der abgelöst wird von konzentrierter Heiligkeit. Ein Koran ruht neben einem jüdischen Leuchter. Weltfrieden auf wenigen Zentimetern. Unterwegs rückt Gesa Claus einen Dürer gerade. "Wenn die einen Kunstraub drehen, dann wollen die auch Werke haben, die bekannt sind", sagt sie und lacht tief.

An einem Tintenfass bleibt sie stehen. Das wuchtige Gerät mit goldener Büste auf Marmor war in der Eröffnungssequenz von "Comedian Harmonists" (1997) groß im Bild, erinnert sich Claus. Eine Hauptrolle sozusagen.

Manche Objekte werden aber vergeblich auf einen Starauftritt warten. Die Schnapsflaschen in Form von Schraubenschlüssel und Motorsäge etwa. Als Gesa Claus sie kaufte, gefiel ihr das Skurrile, aber die Teile sind Ladenhüter.

Als Ballast empfindet die Mutter der Requisiten jedoch keinen ihrer Gegenstände. Seit ihrer Kindheit in Blankenese liebt sie das Sammeln. "Ich bin nach der Schule immer in die Antik-Läden gegangen und habe höflich gefragt, ob ich mich umschauen darf", sagt sie.

Je mehr Zeit der Besucher mit Claus und all ihren Dingen verbringt, die da so wertfrei nebeneinander lagern, umso deutlicher wird: Erst das Drehbuch verleiht ihnen einen Sinn. Erst der Blick der Kamera macht sie zur Projektionsfläche, ob sie nun beiläufig darüber hinwegschweift oder sie ins Rampenlicht rückt.

Eine Uhr mag immer eine Uhr sein. Aber mal tickt sie im Drama, mal im Liebesfilm. Und wird so zu einem Ding in unserer Fantasie.

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