Hamburg. Es gibt Menschen, die müssen einfach im Mittelpunkt stehen. Guy Braunstein, derzeit Artist-in-Residence bei den Hamburger Symphonikern, scheint eine solche Persönlichkeit zu sein. Bei seinem Auftritt in der Laeiszhalle jedenfalls war das Dirigentenpult samt Chefdirigent Jeffrey Tate ein gutes Stück zur Seite geschoben worden, um Platz für den Auftritt des bulligen Solisten zu schaffen. Und als wäre der Solistenjob ihm noch nicht genug, ließ Braunstein es sich nicht nehmen, dem noch etwas unsicheren Aushilfskonzertmeister der Symphoniker bisweilen unter die Arme zu greifen.

So geigte Super-Guy, im Hauptberuf Konzertmeister bei den Berliner Philharmonikern, in seinen Spielpausen gelegentlich bei den ersten Geigen mit, wenn es nach seiner Ansicht dort was zu richten gab.

Auch das Programm trug Braunsteins Handschrift: Elgars Violinkonzert in h-Moll ist ein erklärtes Lieblingsstück des israelischen Geigers. Komponiert wurde es als Paradestück für den legendären Fritz Kreisler; in seiner Mischung aus Gefühligkeit und Geschwätzigkeit ist das Konzert für die geigerische Selbstdarstellung optimal geeignet. Technisch und musikalisch absolut souverän, trotz der 50 Minuten Spieldauer ohne Anzeichen von Anstrengung erfüllte Braunstein die allzu vielen Noten mit seiner Persönlichkeit.

Mag Braunstein im ersten Teil des Abends Jeffrey Tate auch die Show gestohlen haben, der Lorbeer für den größten musikalischen Glücksmoment ging doch an den Briten. Dvoráks Fünfte Symphonie gelang Tate und seinem Orchester großartig. Selbst die Blechbläser, die bei Elgar mitunter noch recht roh (und falsch) hineingetutet hatten, schienen all ihre Übe- und Probezeit auf diesen Programmpunkt verwendet zu haben. Klanglich perfekt balanciert, vital, aber nirgends forciert war Tates Lesart von Dvoráks Kreuzung aus Folklorismus und Klassizismus.