Hans Falladas “Jeder stirbt für sich allein“ war zuletzt international ein Bestseller. 2011 ist er es auch bei uns

Hamburg. Auf deutschen Nachttischen liegen Bücher, deren Autoren aus vielen Weltregionen stammen: Wir lesen die Romane des Türken Orhan Pamuk, die des Amerikaners Dave Eggers oder die des Japaners Haruki Murakami. Im Ausland hat es deutsche Literatur bisweilen schwer, umso euphorischer wurde von den Kommentatoren der gewaltige Erfolg eines Buches begrüßt, das schon mehr als sechs Jahrzehnte alt ist. Hans Falladas Widerstands-Roman "Jeder stirbt für sich allein" erschien im Original 1947. Damals war es in Deutschland kein kleiner Erfolg, verschwand wie sein Autor aber allmählich aus dem Fokus der Leser.

Der realistische Erzähler Fallada, der vor allem mit "Kleiner Mann, was nun?" bekannt geworden war, schildert in dem wahren Begebenheiten nachempfundenen Roman den Kampf eines Berliner Ehepaars gegen die Nazis. Die ganze Sache geht nicht gut aus, das ging sie auch nicht in der Realität und auch nicht für Fallada selbst, der drei Monate nach Fertigstellung des Manuskripts, im Alter von 54 Jahren, einem Herzinfarkt erlag. Ein gutes Ende nimmt es jetzt aber mit seinem epischen Wälzer, der 2002 erst in der französischen Übersetzung ("Seul dans Berlin", "Allein in Berlin") ein Erfolg wurde und seit 2009 unter anderem auch in England ("Alone in Berlin") und Amerika ("Everyman Dies Alone") in einer Neu-Übersetzung viele, viele Leser findet. Die englische Ausgabe wurde eine halbe Million Mal verkauft.

Der Buchmarkt schreibt wie das Leben manchmal unwahrscheinliche Geschichten, und die weiteren Kapitel sind dann gar nicht so überraschend: Denn 2011 war auch hierzulande das Jahr Falladas. Der Aufbau-Verlag brachte, von der internationalen Fallada-Begeisterung beflügelt, "Jeder stirbt für sich allein" erstmals in einer ungekürzten Ausgabe heraus. Die Kapitel, in denen die Eheleute Anna und Otto Quangel, die in Wirklichkeit Elise und Otto Hampel hießen, als Opportunisten dargestellt wurden, waren in der früheren Ausgabe gestrichen wurden.

Jetzt, in der vollständigen Version, entsteht ein vielschichtigeres Bild der Figuren, die keine Helden ohne Fehl und Tadel waren. Aber doch als die "guten Deutschen" wahrgenommen wurden, auf die die Welt scheinbar gewartet hatte. Mitsamt ihrer deutschsprachigen Leser: Bislang wurde "Jeder stirbt für sich allein" in der Neu-Auflage 150 000-mal verkauft. Damit hat das Buch seinem Berliner Verlag nicht nur das Geschäftsjahr versüßt, sondern zeigt auch beispielhaft die Unberechenbarkeit des Buchmarktes. Falladas Roman steht wie zuletzt wenig anderes für all die ungehobenen Schätze, die von Zeit zu Zeit an die Oberfläche gebracht werden. In mehr als 20 Ländern ist "Keiner stirbt für sich allein" zurzeit ein Bestseller. Zuletzt war dies unter den deutschsprachigen Schriftstellern Bernhard Schlink mit seinem Roman "Der Vorleser" gelungen. Auch der handelt von der Nazi-Zeit. Zudem hatte Daniel Kehlmann mit seiner millionenfach verkauften "Vermessung der Welt" gehobene deutschsprachige Literatur (in den jeweiligen Übersetzungen) für ausländische Leser interessant gemacht.

Warum wir uns über den späten Bestseller und "das literarische Ereignis" (so die "New York Times") freuen? Weil das Buch - zwar in der für Fallada typischen unambitionierten Sprache der Neuen Sachlichkeit - vom doch (beinah) richtigen Leben im falschen berichtet. Schade nur, dass die "echten" Quangels, die Eheleute Hampel, sich am Ende anders als im Buch gegenseitig bezichtigten; dass am Ende wirklich jeder für sich allein starb.

Hans Fallada: "Jeder stirbt für sich allein". Aufbau-Verlag. 704 S., 19,95 Euro