Fabian Burstein präsentiert heute seinen Roman “Statusmeldung“ in Hamburg. Es sei der erste Facebook-Roman, wirbt der Verlag

Kulturhaus III&70. Der erste Facebook-Roman also, na ja. Sage keiner, der Autor Felix Burstein und sein Verlag wüssten "Statusmeldung", das Romandebüt des Wieners, nicht mit großer Geste zu vermarkten. Burstein, Jahrgang 1982, ist ein Kind des Internetzeitalters. Als Kind des Internetzeitalters hat man zwei Identitäten: eine reale und eine virtuelle. Letztere setzt sich in den verschlungenen Verbindungen der sozialen Netzwerke zusammen. Man teilt dort Freunde, Interessen, Orte, Vorlieben, andere Internetseiten; man teilt sich mit. Man entwirft ein Wunsch-Ich.

Und bei Facebook ist man einer von 800 Millionen. Man hat Kontakt zu Menschen, die in anderen Ländern und auf anderen Kontinenten leben. Wer sich mit der ganzen Welt verbindet, der bezeichnet Facebook als magisches Medium der Kommunikation. Andere sagen, Facebook sei ein Ort des Unwirklichen, der Selbstentfremdung. Die Armeen des Für und Wider haben sich längst formiert, und die Frontlinien verlaufen längst nicht nur zwischen den Generationen. Burstein zum Beispiel schreibt in "Statusmeldung", eine Art Beziehungs- und Liebesroman, ziemlich kritisch über das Internet. Und das ist noch zahm ausgedrückt: Bursteins Held Julian Kippendorf ist so aktiv im Netz, in Blogs, Chats usw. usf., dass er sich darüber fast verliert.

Er strippt online und gibt alles preis, was ihm auf der Seele liegt. Irgendwann auch seinen Klarnamen. Er jammert über sein Beziehungsende und lernt virtuell eine neue Frau kennen. Sie schreiben, ergehen sich in tiefsinnigen Unterhaltungen über das Leben (das in der Wirklichkeit und das im Netz - oder ist das dasselbe?), und am Ende löschen sie ihr Profil: Man sollte sich vielleicht mal ganz persönlich kennenlernen.

Man kann diesen Internetroman also als Teufelsaustreibung lesen. Der Beelzebub, das ist das Netz: "Wissen Sie, was Sie in meinen Augen sind? Verdammte Voyeure, Internet-Freaks, Schicksalsjunkies. Hinterfotzige Online-Spanner. Nach Sinnstiftung lechzende Co-Abhängige, die sich als Digital Natives und Multi-Interest-User tarnen, um ihre tägliche Dosis zu bekommen" - so hebt der Text an.

Das ist etwas seltsam, denn der Erzähler beschimpft sich ja fortwährend selbst. Er ist es zu allererst, der sein Wasser nie halten kann in dem "virtuellen Beichtstuhl namens Weblog, wo alles furchtbar wichtig und gleichzeitig unendlich egal ist". Was ist sein Programm? "Überleben und andere daran teilhaben lassen." Das kann man vortrefflich, wenn man sich des Mediums Internet bedient.

Der Roman referiert die Internet-Chats und Blogeinträge des selbstquälerischen Protagonisten. Formal und typografisch geht das recht einfach: Im Text tauchen viele Usernamen auf ("Jo Hanna", "Einsamesherz"), viele Zeitangaben ("01. Juni 2009 um 22.43 Uhr"), und ab und an steht da auch "Gefällt mir". Ja, wir sind hier bei Facebook.

Und ja, das ist alles etwas billig und manchmal auch arg klischeehaft (selbstverständlich kehren im Internet nicht alle ihr Innerstes im Netz nach außen). Wer nun behaupten will, diese Imitation der virtuellen Kommunikation sei gleichbedeutend mit dem ersten "Facebook-Roman", der kann dies gerne tun, muss sich allerdings vorhalten lassen, dass man einen Roman, der in einem Elefantengehege spielt, genauso gut als den ersten Elefantengehege-Roman bezeichnen kann. Anders gesagt: Felix Bursteins Roman ist eigentlich ein herkömmlicher Briefroman. Oder ein Roman, der in die Tradition der neuen Subjektivität gehört.

So wichtig es ist, das tief in den Alltag eingreifende Medium Internet zum Gegenstand eines Romans zu machen, so unerheblich ist Bursteins Versuch. Die Verschiebung von Dialogen, die so im Chat stattfinden könnten, zwischen zwei Buchdeckel ist genauso sinnlos wie die gedruckte Veröffentlichung eines Weblogs. Die Spontaneität des Internets ist seine Stärke.

Seine andere Stärke, behauptet der Facebook-Verteidiger Alexander Pschera (in seinem Bändchen "800 Millionen. Apologie der sozialen Medien", Matthes & Seitz) ist das utopische Potenzial: "Die durch das soziale Netz ermöglichte universelle Kommunikation zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort ruft uns in Erinnerung, dass es einen Begriff von 'Liebe' gibt, der allumfassender und grundsätzlicher ist als der, mit dem wir heute operieren. (...) Denn 'sozial' sind wir erst und immer nur dann, wenn wir 'lieben'."

Facebook als allumfassendes Liebesnest? Hört, hört! Besser ist es natürlich, man liebt sich nicht nur online, sondern auch ganz real. So wie die Figuren in Bursteins Roman - zumindest an dessen Ende.

Fabian Burstein Lesung (mit Konzert), heute, 20.00, III&70 (U Sternschanze), Schulterblatt 73

Fabian Burstein: "Statusmeldung", Labor-Verlag, 224 S., 19,95 Euro