Hamburg. Diese Kinder sind schrecklich im ursprünglichen Sinn des Wortes. Auch als Erwachsene bleiben Paul (Andreas Heinemeyer) und Elisabeth (Luise Hansen) geschlagen mit dem Schrecken ewiger Infantilität. Sie sind nicht lebensfähig außerhalb der mütterlichen Wohnung, in der sie ein Zimmer teilen. Ein Zimmer? Die Badewanne ist ihr intimer Rückzugsort, der Lieblingsschauplatz ihres "Spiels". So nennen die Geschwister beschwörerisch das, wovon sie nicht lassen können, so rüde ihr Umgangston untereinander auch ist: ihr alle anderen ausschließendes Beisammensein. Das Zimmer ist ihr Freiraum für geteilte, geheime Fantasien und ihr Gefängnis. Die Realität bleibt ausgesperrt.

"Les enfants terribles", der 1929 erschienene Roman des Surrealisten Jean Cocteau, bildet die Vorlage zur gleichnamigen "Tanzoper" des amerikanischen Minimalisten Philip Glass, die als Diplom-Inszenierung von Kerstin Steeb im Jungen Forum der Musikhochschule ihre Premiere erlebte.

In einer sehr sehens- und hörenswerten Aufführung entfaltet Steeb im materialreichen Bühnenbild von Margarethe Mast eine Pathologie der Nähe, die über die absurde Versuchsanordnung einander in symbiotischer Hassliebe zugetaner Geschwister weit hinausweist - zu all denen, die sich leidend unvollständig fühlen ohne ihre Zwillingsseele. Philip Glass hat für die Geschichte, zu der schon früh Pauls Freund Gérard und später die junge Agathe hinzutreten, eine überraschend leichte, transparente Musik für drei Klaviere komponiert (Leitung: Leon Gurvich). Während sie sich in den eher karg gehaltenen Gesangspartien verdichtet, lässt sie dem hier eher artistisch-sportiv geratenen Tanz (Signe Koefoed, Jascha Viehstädt) manchmal fast meditativ weiten Raum.

Das Tanzpaar spiegelt auf der kinetischen Ebene die leidenschaftliche Anziehung und Abstoßung der Geschwister und sorgt durch unablässiges Herbeischaffen von Messie-Material - Stofffetzen, Plastikplanen, Zeitungsstapel - für die zunehmende Möblierung der Bühne mit Gegenständen tiefen Unbehaustseins. Gérard (stimmlich etwas dünn: Masanori Hatsuse) und Agathe (Johanna Krödel) geben als von Elisabeth instrumentalisierte Statisten der fatalen Geschwisterliebe abwechselnd Treibstoff und Störfeuer - und am Ende den Rest.