Hamburg. Auf der Bühne der Markthalle stehen fünf Männer Ende 60. Die Haare ergraut, die Stirn in Falten, die Bäuche aus der Form. The Sonics, die Protopunk-Band der 1960er-Jahre, ist gealtert. Bevor man sich nun fragt, ob das Konzert der Band aus Tacoma, Washington, am Mittwoch gut oder schlecht war, muss man sich vor Augen führen, dass die Bandgründung 50 Jahre zurückliegt, die Band fast 40 Jahre pausiert und sich die Pop-Welt verändert hat - vieles hat sich beschleunigt. Mitte der 60er war The Sonics zu früh für den Punk, heute ist das legendäre US-Quintett zu spät. Doch von prämortaler Leichenfledderei muss man wirklich nicht sprechen.

Nicht mehr ganz komplett sind The Sonic leider: Bob Bennett und Andy Parypa sind nicht mehr in der Lage zu reisen, und so heißt das aktuelle Line-up: Gerry Roslie, Freddie Dennis, Larry Parypa, Rob Lind und Ryckie Lynn Johnson an Gesang, Keyboard, Bass, Gitarre, Saxofon und Schlagzeug.

Das Set mit dem Stück "Money". Es sind vor allem die ewigen Klassiker der Punk-Vorreiter, die im Sinne von Popmusik eine Illusion im Kopf der Gäste erwecken können, dass The Sonics noch immer so gewaltig wie früher sind. So treibend, so revolutionär, so viel wilder als die spießigen Beatles.

Im Stück "Cinderella" kreischt der untersetzte Bassist Freddie Dennis wie am Spieß, ebenso in "Dirty Old Man" und dem neuen Stück "Vampire Kiss". Mit der Zugabe erreicht das Quintett den Höhepunkt: "Psycho", "Louie Louie" und natürlich "The Witch" lassen das Echo des Publikums die ertragbare Dezibelgrenze durchbrechen. Ja, so laut wie früher, als Teenager noch bei Gitarrenbands in Ohnmacht fielen.

Aber nicht nur für das Publikum ist das Konzert von The Sonics bewegend, sondern auch für die Band selbst. Wenn man Rob Lind zusieht, wie sich seine Augen in Richtung eigene Vergangenheit wenden, wenn er spielt, kann man sich vorstellen, wie die Musiker an ihre eigenen Ichs vor fast 50 Jahren denken, als sie mit unzerstörbaren Songs Unsterblichkeit in die eigene Rentenkasse zahlten.