Mächtiger Sound, nicht ganz so mächtige Musik: Kimmo Pohjonen in der Fabrik

Hamburg. Vielleicht liegt es am vielen Schnee und daran, dass in Finnland so wenig Menschen wohnen: Anders sein als die anderen, Dinge tun, die sonst keiner macht, eine Spur hinterlassen - die Voraussetzungen hierfür scheinen gut zu sein in diesem Land, das vorzugsweise als Heimstatt von melancholischen und wortkargen Trinkern gezeichnet wird.

Kimmo Pohjonen (47) ist eines dieser finnischen Hardcore-Individuen. Er spielt auf dem größten Akkordeon, das ein Mensch gerade noch halten kann, und er erfindet darauf eine nach allen Regeln der elektronischen Kunst aufgebrezelte Musik zwischen Folk, Klassik und Free Jazz. Im Februar bot er auf Kampnagel mit einer Schar finnischer Ringer beiderlei Geschlechts eine zur Performance überhöhte Variante des nordfinnischen Brauchtums Accordion Wrestling, am Mittwoch führte er mit einem Streichquartett und seinem langjährigen Partner Samuli Kosminen vor einer überschaubaren Zuhörermenge in der Fabrik sein Stück "Uniko" auf.

Pohjonen spielte das Werk kürzlich mit dem Kronos Quartet auf CD ein, doch auf der Bühne in Altona saßen jetzt seine Landsleute vom Proton String Quartet. Sie waren technisch nicht ganz so perfekt wie Kronos, aber offenkundig sehr einverstanden mit der Rolle, die der charismatisch-grimmig in sich hineinstarrende Pohjonen ihnen zuwies. Zu hören gab es minimalistische, flächige Grooves, manchmal ins Brachiale sich aufbäumend, sodass der Klang ans Cello-Gewitter von Apocalyptica denken ließ. Dazu entfaltete Pohjonen mithilfe vieler Effektgeräte einen zuweilen großorchestralen Sound, der mühelos die Majestät einer Kirchenorgel erreichte. Doch seinen unabweisbaren Hang zum Pomp hielt Pohjonen durch fieselige kleine improvisierte Endlosmelodien im oberen Register seines Instruments selbst in Schach, und manchmal ließ er es unvermittelt einfach nur gewaltig krachen. In solchen Momenten erhob sich der sonderbar frisierte Mann im Muscle-T-Shirt unterm Landsknechtswams und über den weiten Samuraihosen von seinem Klavierhocker und dehnte den Balg des Akkordeons mit machtvollen Gesten. Samuli Kosminen trommelte dazu auf einem elektronischen Taschenschlagzeug, das auch als Sampler fungierte, und formte exotische Klänge.

Der Sound hinterließ indes einen stärkeren Eindruck als das musikalische Material selbst. Harmonien und Melodien ändern sich bei "Uniko" meist nur langsam, gleichzeitig wird das Geschehen zeitlich und klangräumlich mächtig aufgeblasen. Noch gesteigert durch Pohjonens gelegentliches Schamanengebrummel, soll dadurch vermutlich ein hypnotischer Sog entstehen. Die Trance aber blieb aus.