Eine wirklich ungewöhnliche Interpretation eines Weltkulturerbes mit den Folklore-Punks Mariachi El Bronx am 8. Dezember im Logo.

Wenn Sänger Matt Caughthran seinen Mariachi-Anzug im Stile der traditionellen Tracht des mexikanischen Cowboys trägt, kann man seine Tattoos kaum sehen. Auf seinem Hals prangt eine Rasierklinge mit dem Schriftzug "Punk Music", seine feisten Arme bieten viel Platz für Totenköpfe und dergleichen. Denn eigentlich machen die Mitglieder von The Bronx knüppelharten Punk-Rock mit sägenden Gitarren, schwingenden Fäusten und einem Schlagzeug, das kein Stein auf dem anderen lässt. Eigentlich.

Im Jahr 2006 hat The Bronx seine zweite Seite entdeckt - und die steht auf Trompeten und Uniformen aus engen Anzughosen mit allerlei Applikationen, reichlich dekoriert mit Kordeln und Bommeln und Silberbeschlägen: Mariachi El Bronx eben, gekleidet wie ein Charro. Die Idee dazu kam den Punks, als sie in eine TV-Show eingeladen worden sind, um eine zuschauerfreundlichere Version ihres Krawall-Stücks "Dirty Leaves" zu spielen. Aber Unplugged war für The Bronx zu kitschig. Zum Septett angewachsen, spielt Mariachi El Bronx an Stelle von E-Gitarre, Schlagzeug und Bass nun Trompeten, Akkordeon, Guitarrón und Vihuela und eine zwölfseitige Bassgitarre, ein Bajo Sexto, während Caughthran seine reibeiserne Stimme mit Pathos schmückt.

Mariachi ist die bekannteste der verschiedenen Arten mexikanischer Musiktendenzen und wurde gerade von der Unesco in die Liste der "Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit" aufgenommen. Mit der Aufnahme in die Liste, wird der Staat verpflichtet, das ausgezeichnete traditionelle Kulturgut dauerhaft zu erhalten. In Mexiko spielen die Mariachi zu jedem Anlass: bei Hochzeiten und Volksfesten, bei kirchlichen Prozessionen, am Muttertag und wenn man den Heimkehrenden am Flughafen eine Freude machen möchte. Mit teilweise komplexen Arrangements ist die Mariachi-Musik gleichzeitig der Volks- und Hochkultur verpflichtet.

Gerade ist mit "Mariachi El Bronx II" das zweite Studioalbum der Amerikaner um den 32-jährigen Matt Caughthran aus Los Angeles (also unweit der mexikanischen Grenze) erschienen. Die Band bleibt sich auch beim Zweitwerk als Mariachi El Bronx den selbstbetitelten Alben treu, wie es das Alter Ego The Bronx vorgemacht hat. Denn so ganz kann Mariachi El Bronx den Punk nicht abschütteln. Dieser offenbart sich nicht in der Musik, sondern vielmehr in den Texten. Schon im Opener des ersten Albums singt das Septett davon, wie ein Sklave zu leben und keinen Urlaub zu haben ("Slave Labour"). Auch in dem Stück "Cell Mates" (Zellen-Kumpel) geht es um die Sehnsucht nach einem freien, selbst bestimmten Leben und wird somit als Protestmusik inszeniert.

Mit dem zweiten Album präsentiert sich Mariachi El Bronx als gereiftes Ensemble. Zu Beginn vielleicht als ironisch motivierter (M)Exkurs abgetan, hat sich die Truppe bis heute stark verbessert und sich auch in die komplexen Rhythmen des Corrido, Cumbio, Bolero und Norteño eingefunden. Stücke wie "18 Roses", "Everything Dies" und das schmissige "Norteño Lights" sind von neuer Qualität und fernab von "Amigo"-Klischees. Oder auch das Stück "Revolution Girls", in dem ein Ich-Erzähler von seinen Erlebnissen im Rotlicht-Viertel von Tijuana berichtet. Eine Liebesgeschichte zwischen einer Prostituierten und einem Freier.

Zugleich zeichnet "Revolution Girls" aber auch das Bild einer Gesellschaft, in der es zwei Welten gibt. Die einen können das gelobte Land betreten, die anderen werden an der Grenze aufgehalten und können der Perspektivlosigkeit ihres Lebens nicht entkommen, egal welchen Anzug sie tragen. Denn darunter verbirgt sich immer das wahre Ich.

Mariachi El Bronx Do 8.12., 21.00, Logo (Metrobus 4, 5), Grindelallee 5, Karten zu 18,55 im Vorverkauf; www.mariachielbronx.com