Das Nordwind-Festival startete mit Kristian Smeds “12 Karamasows“-Passion

Hamburg. Rau rockt der Wind im Norden. Jugendlich rabiate, hormongesteuerte und wodkabefeuerte Musik-Theater-Spektakel eröffneten das Nordwind-Festival auf Kampnagel und fegten einige Zuschauer prompt von den Sitzen und aus den Sälen. Nya Rampen entfesselt in "Worship!" eine Shakespeare-Revue der trashigen Art. Jakob Öhrmann und das sich rückhaltlos verausgabende Ensemble bieten allerdings keine Shakespeare-Anbetung, wie der Titel vermuten ließe, sondern vermengen einige Stücke zu einer Collage: eher eine Schlachtung mit viel Gefecht und Geschrei.

Das Fleischermesser im Mund, erscheint Regisseur Kristian Smed im dritten Teil der wilden Passion seines Dostojewski-Opfers von "12 Karamasows". Der Messias der finnischen Theatermoderne feiert mit sechs Jüngerinnen und sechs Jüngern, alles estnische Schauspielstudenten, ein wenig andächtiges "Abendmahl". Es artet in Gewalt, Liebe und Sex aus. Von Dostojewskis letztem großen Familienroman "Die Brüder Karamasow" sind nur Rudimente erkennbar (etwa die Figuren Dimitrij und seine Gruschenka). Warum aber im zweiten Teil (ohne ohrenbetäubende Hardcore-Beats) Werschinin und Tschechows "Drei Schwestern" auftauchen, bleibt unerfindlich.

Die musikalisch vielseitig talentierten Performer fischen nicht nur nach Wodka-Flaschen, um sich anzufeuern, sondern machen auch Zuschauer zu Mitakteuren und Mitschuldigen ihrer Massaker - etwa bei einer Steinigung mit Zeitungsbällen. Wen bei den hitzigen Körper- und Wort-Spielen das kalte Grausen packt, dem sei die Sauna "Friland" auf der Piazza empfohlen. In Berndt Jaspers temporärer Bretterbuden-Installation gibt es auch viel Dampf und Wodka an der Bar.

Marthaler Ein subpolares Basislager 8.-10.12., 20.00; Erna Omirsdottir Tanztheater 9.12., 19.30, Kampnagel, Karten unter T. 27 09 49 49