In der Roman-Adaption “Frost“ tritt Andreas Patton inmitten der Exponate der Deichtorhallen-Ausstellung “Eyes On Paris“ auf.

Deichtorhallen. Thomas Bernhard ist auch Jahre nach seinem Tod ein Unbequemer, einer, der mit seiner Dichtung und seiner unerbittlichen Haltung seinem Heimatland Österreich gegenüber polarisiert. Für den Schauspieler (und Österreicher) Andreas Patton war die Lektüre Thomas Bernhards früh eine Offenbarung. "Ich dachte erst, das sei zynisch, aber dann merkte ich, dass mir Bernhard aus der Seele spricht. Ich entdecke darin vor allem Humor", sagt er. "Er geht in den Kosmos Mensch hinein." Bernhards Debütroman "Frost" von 1962 sei "eine Explosion" gewesen im Einerlei der "eher abbildenden Nachkriegsliteratur".

80 Jahre alt wäre der 1989 verstorbene Dichter in diesem Jahr geworden. Patton ließ sich von der Regisseurin Sabine Mitterecker und ihrer Formation Theaterpunkt nicht lange überreden, Bernhards Erstlingsroman für die Bühne zu adaptieren und alle Rollen zu übernehmen. Die Produktion, die mit minimalen Mitteln vor allem über Ton und Sprache arbeitet, wurde 2010 mit dem Nestroy-Theaterpreis der Off-Szene ausgezeichnet. Vom 8. bis 10. Dezember gastiert sie in der Ausstellung "Eyes On Paris" im Haus der Photographie in den Deichtorhallen. Eine temporäre Installation im Kontext der Exponate.

Die Wahl des Ortes ergibt sich durch den Inhalt. Die Hauptfigur in "Frost", ein todessüchtiger Maler, steigert sich in einer artifiziellen Sprache in einen Weltekel hinein. Er zieht sich in ein abgelegenes, von Inzest geprägtes Gebirgsdorf zurück. Es ist eine von Brutalität geprägte, verwundete Nachkriegswelt. Der Bruder, ein Chirurg, lässt ihn dort von einem Medizinstudenten überwachen. Zwischen Gasthaus und Gletscher öffnet sich der Maler dem Forscherblick des Studenten, der seinen Verfall festhält. Es geht um die Kunst und das Scheitern. "Ich bin höchstens ein Anstreicher gewesen", sagt der Maler.

Die Kälte und Düsternis des Dorfes, den Ekel des Studenten vor der Wirtin ("Es ist derselbe Ekel, der mich als Kind vor offenen Schlachthaustüren hat erbrechen lassen."), schildert Bernhard mit Worten wie Nadelstichen. Der Maler sondert desillusionierte Aussagen ab wie "Die Fantasie ist der Tod des Menschen". Mitterecker musste ihre erste Stückfassung, die noch aus drei Personen bestand, überarbeiten. Der Thomas-Bernhard-Lektor bestand darauf, die Figur der Wirtin zu eliminieren mit der Begründung, Bernhard hätte keine Frauen auf der Bühne geduldet. "In ,Frost' sind alle maßgeblichen Motive des Autors bereits angelegt", so Patton. "Der Komplex exakte Wissenschaften versus Kunst. Die ungleichen Brüder, der Arzt und der Künstler. Der Chirurg, der Verzweiflung nicht kennt, ein Feind des Zwischenreiches ist und Ästhetik ebenso wie Träume hasst. Der nie gelitten hat. Und auf der anderen Seite der Künstler, der sich dem Zwischenreich aussetzt und dabei draufgeht."

Für Andreas Patton, der nach der Ausbildung am Mozarteum in Salzburg an renommierten deutschsprachigen Bühnen von Berlin bis Wien arbeitete, ist "Frost" ein Wiedersehen mit Hamburg. Mitte der 90er-Jahre arbeitete er mit der Regisseurin Karin Beier am Schauspielhaus unter Baumbauer zusammen. Zu Beginn der Ära Joachim Lux am Thalia-Theater war er als Gast in dem Projekt "Judasevangelium oder Verrat ist deine Passion" von Kornél Mundruczó in der Gaußstraße zu sehen. Der 49-Jährige ist freier Schauspieler aus Überzeugung. "In Wien muss man zugeordnet werden, um unschädlich zu sein. Man wird schnell vereinnahmt. In gewisser Weise bin ich unberechenbar." Außerdem tritt er in vielen TV- und Kinofilmen auf. "Vielleicht liegt es an meiner krummen Nase, aber ich spiele häufig den Bösen oder den 'Holzweg'. Das ist der, der es am Ende doch nicht war."

Frost 8.-10.12., jeweils 20.00, Deichtorhallen Hamburg/Haus der Photographie (U Meßberg), Deichtorstraße 1-2, Karten 25,-/erm. 17,- unter T. 32 10 30.; www.theaterpunkt.com