Die Klangwerktage auf Kampnagel verwandelten Fremdheit in Faszination

Hamburg. "Saturn" hieß das erste Stück des Abends, das die Hörer auf einen fernen Planeten entführte. Ein passender Start für das Abschlusskonzert der Hamburger Klangwerktage auf Kampnagel. Zugegeben, ganz so weit weg ist der Iran als Festivalschwerpunkt dann auch wieder nicht. Aber es war doch die Begegnung mit einer vollkommen anderen Welt.

Das zeigt bereits ein erster Blick auf das einzige iranische Orchester für zeitgenössische Musik: Neben Geigen, Flöte und Pauke umfasst die Besetzung vor allem persische Instrumente wie die Kastenhalslaute Kemenche, die zitherartige Santur oder die Schellentrommel Daf. Ein Klangkörper mit sehr eigenem Charakter.

Auch der Dirigierstil von Alireza Mashayekhi - Gründer des Orchesters und Vaterfigur der Neue-Musik-Szene in Teheran - emanzipiert sich von westeuropäischen Mustern. Anstatt Taktfiguren zu schlagen, formt er organische Gesten, die seine Instrumentalisten in Klänge umsetzen: Mit geöffneten Handflächen animiert der 71-Jährige die Setargruppe zu einer Steigerung; ein Faustschlag nach unten mündet in einem mächtigen Schlagwerkgewitter.

Sechs Werke von sich selbst und seinen Schülern hatte Mashayekhi im Gepäck. Darunter so unterschiedliche Arbeiten wie das eingangs erwähnte "Saturn" für Percussion und Klavier, eine mit Sprecheinlagen durchsetzte "Sonate, die keine war" und das packende Saxofonkonzert mit dem Solisten Burkhard Friedrich. Indem das Orchester einzelne Linien des Soloparts aufnimmt, weiterspinnt und orientalisch einfärbt, verknüpft der Komponist die persische mit der europäischen Tradition - getreu seiner Botschaft: "Multikulturelle Menschen brauchen eine multikulturelle Kunst."

Dass sich die Musiker und das sehr bunt gemischte Publikum am Ende minutenlang gegenseitig applaudierten, war nur einer von vielen Belegen für den Erfolg des Festivals. Gerade in Zeiten einer sich zuspitzenden politischen Krise ist ein Dialog wie bei den Klangwerktagen von unschätzbarem Wert: Er hilft, unser abstraktes Unbehagen gegenüber einer vermeintlichen Bedrohung abzubauen. Hier wird Musik zu einer Sprache, die Fremdheit in Faszination umwandelt.