Hamburg. Unsere Zeit ist so arm an echten Weltverbesserern, dass man dankbar sein muss, dass es Yoel Gamzou gibt. Der israelische Jungdirigent stellte jetzt in St. Michaelis mit dem International Mahler Orchestra seine Rekonstruktion von Gustav Mahlers unvollendeter Zehnter Symphonie vor.

Nicht nur "Wahrheit" und "Ehrlichkeit" seien seine Ziele, schreibt Gamzou im Programmbuch zu "seiner" Zehnten, auch die "Zukunft der Musik, die Zukunft Europas, die Zukunft des Menschen" stünden auf dem Spiel. In Mahlers Symphonie hört er die "Planeten zweifeln", diese "apokalyptische Abschiedssaga" sei "aus dem Jenseits heraus geschrieben". Die Zehnte zu vollenden sei seine "Aufgabe auf dieser Erde".

Der Idealismus aller Beteiligten verdient Respekt. So bekommen die Musiker keine Gage. Doch sie spielten auch nicht wie Profis. Zudem krankte die Klangbalance an den überstarken, vierfach besetzten Bläsern bei nur kleinem Streicherapparat. Und Gamzous Rekonstruktion erwies sich als ebenso schwärmerisch wie sein literarischer Mahler-Mystizismus. Was da von der Nord- zur spärlich besetzten Süd-Empore herüberdröhnte, war vor allem tumultuöse Überwältigungsmusik mit idyllischen Einsprengseln.