Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys verzaubern mit ihrem neuen Programm das St.-Pauli-Theater

Hamburg. Autsch! Da kommt der Star des Abends mit seinem Strahlemann-Grinsen ganz allein auf die enge Bühne des St.-Pauli-Theaters, badet, zum Klavier eilend, im Begrüßungsapplaus, stolpert - und fliegt so was von böse einmal der Länge nach auf den Boden, dass dem Saal vor Schreck das Herz stehen bleibt. Ulrich Tukur rappelt sich hoch, die Nase blutet wie Schwein, eine Dame in der ersten Reihe springt auf und reicht dem Star ihr Taschentuch. Der brabbelt was von Pech und völlig vergeigtem Anfang und dass er jetzt alle Lieder vergessen habe, die er heute spielen wollte. Dann verfällt er in einen Schwerenöter-Sprechgesang, der in eine saukomische Schauspielermissgeschicksanekdote mündet. So schlimm, wie er aussah, kann der Sturz doch nicht gewesen sein. Und Zeile für Zeile verfestigt sich der aufkeimende Verdacht zur Gewissheit: Das war alles nur gespielt. Tukurs eigenes Stofftaschentuch trocknet eine Fake-Substanz, die schöne Schauspielernase hat rein gar nichts abbekommen, und der hässliche Blutfleck am Anzugrevers geht bestimmt im Handumdrehen wieder raus.

Mit größerem Aplomb hätte Ulrich Tukur seinem Publikum das Motto seines neuen Chansonabends kaum nahebringen können: "Musik für schwache Stunden" heißt das Programm. Tukur und seine drei vierschrötigen Begleiter an Gitarre, Kontrabass und Zwergenschlagzeug verwandelten bei der Premiere am Montag die vermeintlich schwachen Stunden in Sternstunden vergnüglichster Unterhaltung. Selbst Texthänger sieht man niemandem lieber nach als diesem Tausendsassa mit dem Lausbubencharme. Wenn Max Raabe, der die Schlager der 20er-, 30er-Jahre ebenso abgöttisch liebt wie Tukur, und sein Palast Orchester die Beatles des deutschen Retro-Chansons sind, dann verkörpern Tukur und die Rhythmus Boys dessen Rolling Stones: Sie sind dreckiger, lustiger, sexier.

In den Chansons des Italieners Domenico Modugno hat Tukur, der sich gewohnt überzeugend als chronische Frohnatur inszenierte, ein schönes Versteck für seine Melancholie gefunden. Seine wie drei Viertel der Dalton-Brüder aus "Lucky Luke" wirkenden Boys spielten schön reduziert ihre Instrumente und stellten zudem als "Die drei Pølser" im Dänendress himmelschreiend lustigen Unfug an. Bei alldem ließ Tukur seine Affäre mit dem Publikum keine Sekunde aus den Augen.

Noch bis 2.12., 20.00, Restkarten an der Abendkasse