“Hey Joe“ als Erzählung ohne Worte: Pianist Brad Mehldau und Saxofonist Joshua Redman begeistern bei ihrem Duo-Auftritt in der Laeiszhalle.

Hamburg. Der Auftakt ist verhalten. Brad Mehldau und Joshua Redman tasten sich ab und finden sehr behutsam zueinander. Doch dieses Vorspiel endet abrupt, als der Saxofonist loslegt. Redman nimmt das erste Solo, die Töne brechen aus ihm heraus, und dazu wackelt er mit den Hüften. Mehldau folgt ihm, doch er lässt seine Läufe über die Tasten nicht einfach fließen, immer wieder beschleunigt er, verzögert kurz, sodass ein etwas stolpernder Rhythmus entsteht. Brad Mehldau zeigt an diesem Abend, was für ein Ausnahmekünstler er ist. In jeder der Kompositionen, die Redman und er sich vorgenommen haben, verblüfft er mit immer neuen Kapriolen, er lässt seinen Gedanken freien Lauf, jede Improvisation klingt anders und sprüht vor Ideenreichtum. Das Grüblerische, das ihm nachgesagt wird, ist nicht zu spüren.

Sein afroamerikanischer Partner steht ihm in Ausdruck und Improvisationsvermögen nicht nach. Besonders bei der fast 25 Minuten langen Version von Sonny Rollins' "Sonnymoon For Two" zeigt sich, wie sehr Joshua Redman die Geschichte schwarzer Musik vom Blues aus dunklen Vorzeiten bis zu den Innovationen der Freigeister in den 60er-Jahren aufgenommen und abgespeichert hat. Redman lebt in dieser Geschichte, doch er findet ebenso verblüffende Ausdrucksmöglichkeiten wie sein weißer Partner am Flügel. Das Verständnis dieser beiden großartigen Musiker, die in den 90er-Jahren schon zusammen in Redmans Band gespielt haben, ist an diesem Abend in der nur zu drei Viertel gefüllten Laeiszhalle fast telepathisch.

Bei diesem Duo-Konzert nehmen sich Mehldau und Redman immer wieder Stücke von Rockkünstlern vor. Nirvana haben sie genauso im Repertoire wie die Stone Temple Pilots. In Hamburg machten sie aus dem durch Jimi Hendrix berühmt gewordenen "Hey Joe" eine ergreifende fünfzehnminütige Erzählung über den eifersüchtigen Mann, der seine untreue Frau und ihren Liebhaber erschießen will. Jedes Gefühl von Enttäuschung über Trauer und Wut bis hin zur Mordtat drücken sie nuanciert aus, Worte benötigen sie nicht.

Das Publikum ist angesichts dieser Sternstunde des Jazz aus dem Häuschen und spendet Mehldau zudem viel Beifall für ein kulturpolitisches Bonmot: "Ich habe gehört, dass in Hamburg ein neues Gebäude für Musik entstehen soll. Ich kann nur sagen, dass ich mich hier sehr wohlfühle." In der ehrwürdigen Laeiszhalle nämlich.