Der Pianist Yefim Bronfman spielt mit dem mit dem NDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Alan Gilbert Brahms 2. Klavierkonzert B-Dur.

Johannes Brahms hat die längste Zeit seines Lebens fern seiner Heimat Hamburg verbracht, und das nicht nur geografisch. In die Wiener Mentalität ist er in Jahrzehnten nicht hineingewachsen. Es entspricht auf nahezu komische Weise dem Klischee vom hanseatischen Understatement, wie der Komponist die Instrumente behandelt: Selbst höchste Schwierigkeitsgrade dienen ihm nie für Zirkusnummern, stets bleibt der Part dem emotionalen Gehalt der Musik verpflichtet.

Ein Beispiel für diese anspruchsvolle Bescheidenheit ist das 2. Klavierkonzert B-Dur, das der usbekische Pianist Yefim Bronfman im Dezember mit dem NDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Alan Gilbert in der Laeiszhalle spielt. Brahms wollte nicht den Virtuosen herausstellen, ihm schwebte eher ein sich einfügendes Soloinstrument nach dem Vorbild des barocken "Concerto" vor. Als "Sinfonie mit obligatem Klavier" galt das lyrisch-gesangliche Werk denn auch Freunden wie Kritikern - was nur belegt, dass es Brahms gelungen war, die konzertante Form mit der sinfonischen zu verschmelzen: Das Orchester "begleitet" nicht mehr, sondern spielt eine eigenständige Rolle im Geschehen. Das Klavier wiederum bleibt, obwohl der Part vollgriffig und äußerst anspruchsvoll zu spielen ist, akustisch über weite Strecken innerhalb des Orchesterklangs, statt sich strahlend darüber zu erheben.

Der Abend beginnt mit einem Werk von Brahms' älterem Freund Robert Schumann. Der komponierte seine "Manfred"-Ouvertüre 1848 als Teil eines Zyklus auf das schaurige Dramatische Gedicht gleichen Namens des englischen Lyrikers Lord Byron. Wenige Stoffe korrespondieren derart offenkundig mit den Lebensthemen Schumanns wie die Geschichte von Byrons Held, über dem ein geheimnisvoller Fluch liegt: Er muss zerstören, wen er liebt. Selbst die Frau, die er liebte, hat er mit seiner Umarmung getötet. Und nur ihr Geist kann ihn erlösen.

Schon als jungem Mann hatte Schumann die Lektüre des Gedichts "schreckliche Nächte" bereitet; doch erst mehr als 30 Jahre später, nach der Märzrevolution von 1848, schrieb er den Zyklus. Manfred gilt als der Inbegriff des gequälten romantischen Helden. In der inneren Zerrissenheit der Figur erkannte Schumann die eigene wieder, die er so oft in seinem geteilten Alter Ego Florestan und Eusebius verewigte. So geriet ihm die düstere Ouvertüre zu einem klingenden Selbstporträt.

Brahms und Schumann rahmen das Werk eines weiteren Klassikers ein, nämlich Witold Lutoslawskis "Konzert für Orchester" aus dem Jahre 1954. Klassiker nicht nur, weil Lutoslawski zu den Komponisten des 20. Jahrhunderts zählt, die es in den Kanon des Konzertrepertoires geschafft haben: Wie Brahms im B-Dur-Klavierkonzert bezieht sich der Pole auf große Vorbilder. Schon der Titel gemahnt an das wegweisende Werk gleichen Namens, das Béla Bartók wenige Jahre vor seinem Tod im amerikanischen Exil geschrieben hatte. Noch deutlicher zeigen sich die Reverenzen an die Musikgeschichte im neoklassizistischen Duktus, im Aufbau und in den Satzbezeichnungen: Intrata heißt eine, Passacaglia eine andere. Ganz wie im barocken "Concerto".

Abo-Konzert 1. und 2.12., jeweils 20.00, Laeiszhalle. Karten unter T. 0180 178 79 80 (bundesweit zum Ortstarif, max. 42 Cent pro Minute aus Mobilfunknetzen) oder unter ndrticketshop.de