Ein Mann des Lichts, der sich mit Dunkelheit umgibt: Schauspieler träumen von Charakteren, die man nicht sofort lückenlos einordnen kann. Weil das düstere ZDF-Drama "Das dunkle Nest" auch ein Krimi ist, lebt der Film nicht zuletzt von der Frage, ob die charismatische Hauptfigur nicht doch ein Mensch mit finsteren Abgründen ist.

Christian Berkel ist eine wunderbare Besetzung für diese Rolle: Gabriel Reinberg ist ein Pfarrer, wie ihn sich eine Gemeinde nur erträumen kann, aber nach dem Mord an einem zwölfjährigen Mädchen, das sich stark zu ihm hingezogen fühlte, fällt ein ungeheurer Verdacht auf ihn. Dank Berkels vielschichtigem Spiel begleitet den Pfarrer fortan ein Schatten des Zweifels.

Natürlich ist der Bezug des Drehbuchs zu den Missbrauchsfällen in Einrichtungen der katholischen Kirche unübersehbar. Der Mangel an Entschlossenheit, die Skandale rückhaltlos aufzuklären, ist der Nährboden des Verdachts. Autor Andreas Dirr hat Reinberg zudem mit einer interessanten Vorgeschichte ausgestattet: Der Pfarrer ist nicht nur Theologe, sondern auch promovierter Psychologe. Bevor er drei Monate zuvor die kleine Gemeinde übernommen hat, war er Gefängnisseelsorger und Gutachter von Sexualstraftätern. Nach dem Mord an dem Mädchen hat die leitende Ermittlerin (Katharina Müller-Elmau) zwar keinen Zweifel an Reinbergs Unschuld; ihr Kollege (Andreas Schmidt) ist allerdings überzeugt, Reinberg habe als Gutachter auch seine "eigene Thematik" abgearbeitet. Regisseurin Christine Hartmann vertraut berechtigt einer starken Handlung. Die überraschende Auflösung wirkt keineswegs wie aus dem Hut gezogen, sie ist Teil einer Geschichte, die vor zwölf Jahren begonnen hat.

"Das dunkle Nest" heute 20.15 ZDF