Wie die Passionsfestspiele in Oberammergau entstanden

Hamburg. Es klappt noch nicht. "Die Mitternacht zog näher schon", sagt der Junge mit der Wollmütze - viel zu zaghaft. "Die Mitternacht ...", beginnt der zweite mit den Rastalocken - auch zu leise. Regisseur Christian Stückl tritt in Aktion, wie immer. "Es geht ned darum, dass i so laut red, dass es jeder hinten versteht und am nägsten Dog bin i hoaser", erklärt er. "Sondern i hob an Raum" - er breitet die Arme weit zum Zuschauerraum aus -, "den i füiln muss. I HOB AN RAUM!!" Das verstehen die Komparsen. Das kann keiner so wie Stückl: einen Raum füllen.

Bereits in den ersten Szenen von Jörg Adolphs Dokumentation "Die große Passion" prallen Laien und Theaterfachleute, Lernen und Können, Wollmütze und große Geste aufeinander. Der Raum, den es zu füllen gilt, ist die Festspielbühne von Oberammergau. Mehr als anderthalb Jahre lang hat Adolphs Filmteam die Dorfbewohner und den Spielleiter Stückl bei den Vorbereitungen der Passion begleitet und ein beeindruckendes Making-of gemacht: einen Blick hinter die Kulissen von Europas berühmtestem Festspiel.

Eine Hauptrolle darin bringt Respekt und Sozialprestige. Vor allem den beiden Jesusdarstellern: Frederik Mayet, 29, im Hauptberuf Pressesprecher des Münchner Volkstheaters, und Andreas Richter, 32, Kinderpsychologe. Beide gebürtige Oberammergauer, wie es die Tradition vorschreibt. Mehr als 144 Filmminuten sieht man nicht nur ihre Bärte, sondern auch ihre Jesuskompetenz wachsen. Sie geben Interviews, treten im Fernsehen auf. Bis zur nächsten Passion sind sie die wichtigsten Männer im Dorf, sogar wichtiger als Bürgermeister Arno Nunn.

Heimlicher Hauptdarsteller des Films aber ist Christian Stückl, dieses Theaterwunderkind. Stückl ist überall. In der "Empörungsszene" mit Megafon; bei der geduldigen Schnitzarbeit am Text; bei der konzentrierten Einzelprobe mit Jesus I und II. Passen die Kreuze? "Mer muss den Fredi und den Andi einfach amol hinhänga", sagt Stückl.

Die Kamera ist diskret und klug eingesetzt. Sie fängt die Gegensätze zwischen Heiligem und Profanem, gutem Willen und Tücke des Details, dem Ernst und dem Provinzgetümmel ein, die den Film so erhellend und unterhaltsam machen. Am Ende sitzt die Kanzlerin im Zuschauerraum, Jesus Andi duscht sich das Kreuzigungsblut ab. Oberammergau hat es wieder einmal vollbracht.

Die Große Passion Sa 26.11., 12.50, So 27.11, 10.50 im Abaton-Kino, Allende-Platz 3, Tel. 41 320 320; www.abaton.de